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Freitag, 7. Juni 2013

Mage Knight



Die eierlegende Wollmilchsau des Fantasy
Es ist wieder diese Zeit im Jahr. Ganz Spiele-Deutschland schaut auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres, diskutiert, postet und blogt. Spiele die über verständliche Regeln, ein eingängiges Spielgefühl sowie ein gerüttelt Maß Familientauglichkeit verfügen sind in aller Munde. Im laufenden Jahr dauert keines der drei für den Hauptpreis nominierten Spiele länger als 30 Minuten. Als leidensgewillter Vielspieler muss man sich da fast zwangsweise auf das Kennerspiel stürzen. Doch auch hier setzt die Jury auf Eingängigkeit. Ob Andor mit seinen Losspielregeln oder Carrara mit extra Mini-Erweiterung nach einigen Partien. Überall wird Wert auf einfach Regeln und einen schnellen Einstieg gelegt. Um diesem Rosa-Ponyhof-Gefühl zu entgehen präsentiere ich euch Heute ein Spiel dessen Regeln einen Umfang und eine Komplexität aufweisen, dass sie bei der Spiel des Jahres-Jury mit Sicherheit für einige graue Haare sorgen würden.

In Mage Knight (Vlaada Chvátil / Pegasus) verkörpert jeder der 1 bis 4 Spieler einen der namensgebenden Magier-Ritter, quasi die eierlegende Wollmilchsau des Fantasy. Was dabei ein übermächtiger Held sein will, der gibt sich natürlich nicht mit schnöden Drachen und Dämonen zufrieden sondern will am Ende gleich ganze Städte brennen sehen. Dies erreichen wir über ein Kartendeck welches unserem Recken Leben einhaucht. Ob wir dabei nebeneinander, gegeneinander oder gänzlich miteinander vorgehen lässt uns das Spiel mit seinen umfangreichen Szenarien komplett frei.


Deckbau trifft Dungeon-Crawler
Zu Beginn besteht unser Held aus nicht viel mehr als einem Deck aus 16 Karten sowie einer Figur welche auf dem Startfeld des Spielplans platziert wird. Um unsere Fähigkeiten auszubauen und auch mächtigen Monstrositäten gewachsen zu sein gilt es nun, das verfügbare Kartendeck möglichst effektiv zu nutzen. Denn jede Runde ergänzen wir unsere Hand auf (anfänglich) 5 Karten um mit diesen alle denkbaren Aktionen durchzuführen. Die Möglichkeiten reichen dabei von simpler Bewegung über Heilung bis hin zu Nahkampf, Belagerung oder Rekrutierung. Jede Runde kombinieren wir mehrere dieser Karten zu einem Zug der zumeist aus Bewegung und einer Aktion (häufig Kampf) besteht. Je nach verfügbaren Karten ziehen wir mit unserem Recken über die Landkarte, entdecken neue Gebiete oder lösen Ereignisse (Kampf, Dorfbesuche, Klöster abbrennen, etc.) aus. Das folgende Ereignis wird dabei wiederrum über Karten geregelt. Kommt es etwa zum Kampf, so will der Gegner (sofern nicht im Fernkampf besiegt) zuerst geblockt und dann mittels Angriffskarten vernichtet werden. 

 

Variation
Unterscheiden sich die Helden zu Spielbeginn in nur einer einzigen ihrer 16 Startkarten ändert sich dies im Laufe des Spiels deutlich. Denn fast alle Aktionen die wir im Spielverlauf ausführen belohnen uns auf die eine oder andere Weise. Der Kampf gegen Monster etwa liefert uns Erfahrungspunkte und damit regelmäßig neue und bessere Karten für unser Deck oder (heldenabhängige) Sonderfähigkeiten. Während uns der Besuch eines Magierturms Zaubersprüche lehrt (weitere Karten für das Deck) kann man unter dem Kloster mächtige Artefakte erobern welche (Überraschung) ebenfalls direkt in das Kartendeck wandern. Auf diese Art und Weiße kommen wir ständig an bessere (und einzigartige) Karten, vergrößern unsere Fähigkeiten und können uns sogar (bei geschickter Kartenwahl) auf einzelne Bereiche spezialisieren. Da das Kartendeck in einer Partie 4- bis 6-mal durchgespielt und dabei stetig mächtiger wird, sind wir schlussendlich tatsächlich in der Lage ganze Städte anzugehen. Karten die nicht direkt in unser Deck wandern sind zwar die Ausnahme, existieren in Form zu rekrutierender Verbündeter allerdings ebenfalls.

Brutale Drachen mit Frosfeuerangriff und Gift
Was ich hier bislang versucht habe in aller Kürze darzustellen ist in Wirklichkeit ein komplexes Gebilde. Alleine die Verwendung der verfügbaren Bewegungspunkte kann schon eine eigene Rechenaufgabe darstellen, da jedes Feld bei Mage Knight einem spezifischen Terrain zugeordnet ist. Ist eine Steppe etwa recht einfach zu begehen kostet das Erklimmen von Hügeln oder das durchwaten von Sümpfen deutlich mehr Bewegungspunkte. Während Wüsten in der Nacht leicht zu durchwandern sind, halten sie die Reisenden am Tag lange auf. Wälder wiederum sind bei Nacht ungleich schwerer zu durchqueren. All dies gilt es mit den Bewegungspunkten die die verschiedenen Aktionskarten liefern zu berechnen. Noch komplexer spielt sich der Kampf ab. Haben die ersten Gegner noch maximal 1 oder 2 Sonderfähigkeiten könnten die Spezialangriffe von Drachen und Dämonen ganze Regelbücher füllen. Feuer- und Eisangriffe, Versteinern, Flinkheit, physische Immunität, Gift, Brutal,… und und und. Hier jeweils die passenden Optionen parat zu haben um all diesem zu kontern kann eine echte Herausforderung sein. Insbesondere da die späteren Karten des eigenen Decks eine ähnliche Vielfalt bieten die optimiert werden will.
 
 



Episches Puzzle
Was ich bislang verschwiegen habe ist, dass jede Karte obendrein noch über 2 verschiedene Aktionen verfügt. Eine davon ist gratis zu verwenden, die andere kostet farblich passendes und jederzeit knappes Mana. Dies verstärkt die bereits oben erwähnte Komplexität und das Gefühl, dass Mage Knight sich bisweilen wie ein Puzzle spielt. Viele Elemente habe ich obendrein gar nicht erst aufgeführt. So liefern Sonderfähigkeiten der Helden weitere Optionen, Verbündete gilt es sinnvoll zu nutzen und je nach Szenario ist ein Kampf gegen andere Recken oder gemeinsam gegen eine Stadt möglich. Neben Klöstern wollen Burgen erobert, Verliese erkundet und Mienen ausgebeutet werden. Selbst wenn wir uns für eine Art des Spiels entschieden haben, liefert das Regelbuch kurze oder lange Szenarien, niedrige oder hohe Schwierigkeitsgrade und eine Spielzeit zwischen 2 und 5 Stunden.

Episches Spiel
Öffnet man erstmals die Box von Mage Knight wird man von der Fülle des enthaltenen Materials fast erschlagen. Karten, Counter, Figuren, Landschaftsplättchen. Die Box ist bis unter den Rand gefüllt. Nach dem ersten Schock greift man wie gewohnt zur Regel um all dem einen Sinn zu verpassen. Was nach dem ersten Lesen nur sporadisch gelingt. Das liegt keineswegs an der Qualität der Regel, sondern schlicht am Umfang derselben. Grundregeln, Sonderregeln, Fähigkeiten, Ausnahmen, Varianten, etc. Hat man nach 2 bis 3-maligem Lesen das Gefühl alles verstanden zu haben folgt die erste Partie. Und die Ernüchterung. Die erste Runde ist geprägt von Spielfehlern, ständigem Nachlesen der Regeln und Wartezeiten. An dieser Stelle kann man schnell verzweifeln. Hier stellt sich nicht Wenigen die Frage, ob das Spiel diesen Aufwand wert ist. Die Antwort darauf ist so kurz wie einfach: Absolut, ja.  

Hat man sich einmal durch all die Regeln, Varianten und Möglichkeiten gequält ist Mage Knight ein Spiel wie es seinesgleichen sucht. Episch ist dabei der Begriff der mir zuerst in den Sinn kommt. Selten habe ich bei einem Spiel so mit meinem Helden gefühlt, war am Ende einer Schlacht so erschöpft und gleichzeitig so stolz auf das erreichte. Mage Knight ist schwer zu erlernen und die erste korrekte Partie wird mit Sicherheit einige Anläufe benötigen. Aber es ist jede verwendete Sekunde wert.

2 Kommentare:

  1. "Mage Knight ist schwer zu erlernen und die erste korrekte Partie wird mit Sicherheit einige Anläufe benötigen. Aber es ist jede verwendete Sekunde wert..."

    Das trifft es ganz gut. Ich finde es ein bisschen ungerecht, dass es zum Schluss so viele Boni für diverse Leistungen gibt. Mal schauen wie das nach mehreren Spielen so ist, nach dem ersten Spiel würde ich fast annehmen, dass der Gewinner regelmäßig die meisten davon einheimst.

    Sehr gute Rezension, danke.

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  2. Hallo Thomas
    Da hast du durchaus recht, am Ende sammelte bei mir auch fast immer ein Spieler die meisten Boni. Andererseits hatte das zur Folge, dass wir häufig gar nicht mehr gezählt haben (das Ergebnis war eh klar).
    Inzwischen spielen wir aber fast nur noch kooperativ, da fällt die Zählerei komplett weg.

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