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Dienstag, 14. Mai 2019

Voll verwackelt


Kokosnüsse: exotisch, verheißend, schwer zu knacken. Und eigentlich einfach zu bekommen. Baum hoch, runterhauen, aufsammeln. Wenn der Baum aber auf einem wackeligen Felsplateau steht, das jeden Moment kippen könnte, dann wird’s schwierig. Wieso man sich dann nicht einen anderen Baum sucht? Weil Bilbo Beutlin auch nicht gesagt hat: „Ach komm, was soll ich den doofen Ring mitschleppen?“ Ohne Drama keine Geschichte. Auch im Brettspiel nicht.






Dramatisch gefährlich
Und Drama gibt es bei „Voll verwackelt“ genug und zwar in vier Schwierigkeitsstufen. Man startet natürlich mit der Ersten, um reinzukommen. Palme und Felsen zusammenbauen, Kokosnussplättchen in den Beutel, die Spielertableaus verteilen, die Tiere auf den Felsen balanciert und dann geht’s los: mit würfeln. Ein Würfel zeigt ein (oder zwei) Tiere und der andere die Bewegungsweite. Von jedem Tier gibt es auf dem Felsen zwei Ausgaben, man muss also einschätzen, welches Tier sich bewegen lässt, ohne, dass der Felsen ins Kippen gerät. Hat man das erfolgreich geschafft, zieht man eine Kokosnuss aus dem Beutel und legt sie auf die Sammelstelle des eigenen Tableaus. 


Wie gierig will man sein?
Wenn man Zug um Zug immer Kokosnüsse sammeln will, muss man also würfeln und sich bewegen. Sollte das aber mal schief gehen, weil der Felsen kippt und die Tiere runterfallen, landen alle gesammelten Kokosnüsse im Fluss. Sie werden auf dem eigenen Tableau auf die Flussfelder gelegt. Ganz verloren sind sie dadurch noch nicht, aber sie werden nicht mehr so viele Punkte bringen. Es passen auch nur vier Plättchen in den Fluss. Alle, die man darüber hinaus verliert, wandern zu Karla, dem Krokodil und bringen gar nichts mehr – außer der sich ins Fäustchen lachenden Karla.
Man kann seine Kokosnüsse aber in Sicherheit bringen und aufs Würfeln verzichten. Dann schiebt man die bis dahin gesammelten und nicht im Fluss gelandeten Plättchen neben die Sammelstelle auf seine Hütte. Und da kann ihnen niemand mehr etwas anhaben.

Und zum Schluss noch einen Kniff.
Ist die letzte Kokosnuss verteilt, endet „Voll verwackelt“, aber es ist noch nicht zu Ende. Bis zu vier Kokosnussplättchen können noch im Flussbett liegen und um zu sehen, ob die noch Punkte bringen, zieht jeder Spieler einen Krokodilchip. Auf dessen Rückseite sieht man, welche farbige Schablone man sich nehmen und auf dem Fluss anlegen muss. Jede Nuss, die man so noch sieht, bringt einen Punkt. Plus die Nüsse, die man vorher in Sicherheit gebracht hat. Und der Gewinner gibt jedem erst Mal ein Bounty aus.


Fazit
Spiele mit Kippelfläche gab es schon einige im Kinderbereich und meistens krankten sie an einem Punkt: Sie waren auf vielen Ebenen nicht ausbalanciert. Sei es, weil die Verarbeitung schlecht war oder nicht durchdacht genug oder auch, weil nicht viel passierte – außer die Fläche eben zu halten. Die erste richtig gute Ausnahme machte die „Affenstarke Zahlenbande“ von Ravensburger. Eine total beknackte, aber strunzlustige Geschichte und die Wackelebene musste mittels kleiner Rechenaufgaben in der Balance gehalten werden. Und da war auch das Problem: Alles stimmte, aber mit dem Rechnen haute es für viele Kinder nicht hin (anschauen sollte man sich das Spiel aber trotzdem mal).

„Voll Verwackelt“ verzichtet auf viel Brimborium und konzentriert sich aufs Wesentliche: Haltet den Felsen gerade und hofft, beim Ziehen der Nüsse hohe Zahlen zu bekommen. Mit Ersterem wird es besonders bei der Anfangspartie nicht wirklich klappen, denn die Zielgruppe ab sechs tendiert erst Mal zum grabschen irgendeines Tieres und setzt es dann wild umher. Da ist viel Umfallen und wieder aufbauen an der Tagesordnung. Man kann mit einer Engelsgeduld die Prinzipien der Balance erklären, aber nein. Würfeln und planlos grabschen. Das passiert aber nur ein paar Mal. Besonders, wenn der Punkt kommt, an dem man seine gesammelten Nüsse abgeben muss, weil der Felsen kippt. Bei „Voll verwackelt“ müssen die Kinder erst ein bisschen versagen, bevor sie merken, dass es die Mischung aus Vorsicht und Risiko macht, die einen hier weiterbringt. Und die Lernkurve ist erstaunlich groß. Wenn man durchschaut hat, wie alles funktioniert, kann man auch nicht wirklich sauer sein, sollte man sich verzockt haben und die ungesicherten Nüsse wandern in den Fluss. Man hätte sie ja auch sichern können. Ein kleiner Nervenkitzel, der gut portioniert ist. Gut, dass man daran gedacht hat, verschiedene Schwierigkeitsstufen einzubauen, wobei man auch sagen muss: Die schwierigste Stufe ist WIRKLICH schwierig. Da baut man unter Umständen mehr auf, als dass man spielt.

Dringend zu Gemüte führen sollte man sich die Variationsmöglichkeiten auf der letzten Seite der Regel und die Kokosnussplättchen – besonders im Spiel zu viert – reduzieren. Denn das ist das Einzige, was man „Voll verwackelt“ ankreiden kann: Es kann sich zu viert ziehen. Je nach ruhigen oder unruhigen Händen der mitspielenden Kinder. Da sind weniger Plättchen im Spiel mehr.
Ansonsten muss man sagen: Endlich mal ein Balance-Wackelebenenspiel, das wirklich funktioniert und auch die Kinder zu faszinieren weiß. Und zu begeistern. Denn nichts ist befriedigender, als selber zu merken, wie viel besser man dieses Spiel in den Griff bekommt. Das macht eine ganz eigene Spannungskurve aus, der sich die Kinder gerne wieder und wieder stellen. Und nebenbei lernen sie auch endlich, was Balance bedeutet. Da zahlt sich dann die fusselig geredete Engelszunge endlich aus.

Geschrieben von: Christoph Schlewinski



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