Duell
der Sechsecke
Es ist gefühlt noch gar
nicht so lange her, da waren Echtzeit-Strategiespiele am PC eine absolute
Ausnahmeerscheinung. Zu dieser Zeit spielten wir Tage und Nächte rundenbasierte
Strategiespiele. Auf kleinen Hexfeldern wurden Truppen positioniert und
verschoben, das geschickte Ausnutzen der eigenen Stärken war wichtiger als ein
schneller Mausfinger. Ganz ähnlich verhält es sich auch bei Neuroshima Hex,
einem Spiel von Michal Oracz (Portal) aus dem Jahr 2006. Endlich darf ich
wieder über die passende Positionierung, die Ausrichtung der Truppen und die
taktischen Feinheiten grübeln.
Neuroshima Hex ist in
einer post-apokalyptischen Welt ganz im Stile von Mad Max angesiedelt. 4
Fraktionen prügeln sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf
Hexfeldern um die territoriale Vorherrschaft. Von Mutanten über Maschinen bis
hin zu menschlichen Rebellen werden dabei alle gängigen Klischees bestens
bedient.
Das
Schlachtfeld
Das umkämpfte Gebiet
umfasst (im Spiel zu zweit) 19 Hexfelder. Jeder Spieler platziert zu
Spielbeginn auf einem davon sein Hauptquartier, die Übrigen bilden das
Schlachtfeld. Dem Hauptquartier kommt bei Neuroshima Hex eine besondere
Bedeutung zu ist es doch Spielziel, ebenjenes möglichst schwer zu beschädigen
oder gar zu zerstören. Um dies zu bewerkstelligen bekommt jeder Spieler zusätzlich
34 fraktionsspezifische Armee-Tokens (Papp-Sechsecke) welche nach und nach auf
dem Feld der Ehre Einzug halten.
Jede Runde ziehen die Spieler dazu abwechselnd auf 3 Tokens auf, werfen einen davon ab und dürfen die übrigen spielen (oder auf der Hand behalten). Handelt es sich dabei um eine Einheit oder ein Modul, kann diese(s) beliebig auf einem freien Platz des Spielfeldes platziert werden. Aktionen werden stattdessen direkt ausgeführt und anschließend abgeworfen.
Armee-Tokens
Die Einheiten
unterscheiden sich dabei, je nach Fraktion, deutlich voneinander. Allen gemein
ist ein Initiativewert, der die Reihenfolge im Kampf bestimmt. Ansonsten
verfügen die meisten Einheiten noch über Sonderfähigkeiten (etwa Netze,
Panzerung oder Beweglichkeit) sowie Fern- und Nahkampf in verschiedenen Stärken
und für verschiedene Richtungen. Auf das Schlachtfeld ausgespielte Module verbessern
zusätzlich die Eigenschaften unmittelbar benachbarter, verbündeter Truppen oder
schwächen den Gegner.
Auch die
Aktions-Plättchen unterscheiden sich in Verteilung und Wirkung von Fraktion zu Fraktion.
Während Bewegungs-Plättchen in jeder Armee vorkommen, sind Granaten oder
Luftschläge rar und kostbar. Das wichtigste Plättchen ist dabei allerdings
zweifellos der Kampf.
Der
Kampf
Sobald ein Spieler ein
Kampf-Plättchen spielt oder alle Hexfelder belegt sind, kommt es zur Schlacht.
In einer solchen führt jede Einheit in Abhängigkeit der Initiative Angriffe
durch. Zumeist verursachen diese genau einen Schaden, was genügt um
die meisten Einheiten oder Module zu vernichten. Manche Truppen haben aber auch mehrere
Angriffe oder einzelne Angriffe die mehr Schaden verursachen. Diese eignen sich
besonders um die harten Brocken des Gegners zu vernichten oder dem
Hauptquartier Schaden zuzufügen. Auch Sonderfähigkeiten gilt es zu
berücksichtigen. So greifen eingenetzte Gegner etwa gar nicht erst an, andere
Truppen sind von einem Medizin-Modul geschützt. Entsprechend komplex können die
Kämpfe ablaufen, insbesondere wenn viele Einheiten zeitgleich (in der gleichen
Initiativephase) angreifen. Nach einem Kampf ist das Feld dagegen wieder recht übersichtlich
und das gegnerische Hauptquartier sollte den einen oder anderen Schadenspunkt
erhalten haben. Stehen beide Hauptquartiere noch sobald das letzte Plättchen
gezogen und die Finale Schlacht bestritten wurde gewinnt der Spieler, der mehr
Schaden verursacht hat.
Die Fraktionen
Die Fraktionen
Das tragende Element in
Neuroshima Hex sind die deutlich unterschiedlichen Fraktion und damit auch die
stark variierende Spielweise. Erst diese ermöglichen ein immer wieder
abwechslungsreiches Spiel und unerwartete Spielverläufe. Entsprechend gehe ich
an dieser Stelle zumindest kurz auf die 4 Fraktionen ein.
Moloch liefert sehr zähe
Truppen mit starken Fernkampfangriffen. Darüber hinaus Aktionsplättchen zum Verschieben
gegnerischer Truppen. Die Borgo zeichnen sich durch starke Nahkämpfer und Netze
aus, die gegnerische Truppen lahmlegen. Der Outpost verfügt über mobile Truppen
die zwar nicht besonders kampfstark sind, allerdings ständig ihre Position auf
dem Schlachtfeld ändern. Zuletzt bleibt die Hegemony, welche ein ausgeglichenes
Sammelsurium an Möglichkeiten bietet. Die Truppen sind zwar langsam, überzeugen
aber durch die Verwendung von Netzen und die Möglichkeit, Nahkampfangriffe in
Fernkampf umzuwandeln.
2-Spieler-Spiel
Bevor ich mit dem Fazit
beginne sollte an dieser Stelle angemerkt werden, dass ich persönlich
Neuroshima Hex für ein 2-Personen-Spiel halte. Offiziell funktioniert es mit
bis zu 4 Spielern und die entsprechenden Regeln (und Materialien) sind durchaus
vorhanden. Es macht nur einfach in allen Belangen weniger Spaß. Ob Team-Spiel
oder Jeder gegen Jeden, was im Spiele 1 gegen 1 wunderbar funktioniert wird mit
mehr Spielern einfach unnötig verkompliziert. Nachdem das gesagt wurde, hier
das Fazit für Neuroshima Hex zu Zweit.
Fazit
Neuroshima Hex ist kein
einfaches Spiel. Jede Armee, jede Einheit, jedes Modul verfügt über eigene,
kleine Besonderheiten. Die Regeln erleichtern den Einstieg dabei nicht gerade.
Insbesondere während der ersten Partie wird man häufig auf Fragen stoßen die einiges
Nachlesen erfordern. An dieser Stelle seien die beiliegenden Spielerhilfen für
jede Fraktion lobend erwähnt. Diese fassen alle wichtigen Regeln der einzelnen
Plättchen kurz und knapp zusammen. Trotzdem wird im ersten Spiel viel
gegrübelt, überlegt und taktiert, nur damit schlussendlich irgendeine übersehen
Kleinigkeit den eigenen Plan zunichtemacht. Da der Kampf selbst gänzlich ohne
Zufall auskommt, hat hier ein erfahrener Spieler einen fast uneinholbaren
Vorteil. Als einziges Glückselement bleibt, wann welches Plättchen gezogen
wird. Aber auch hier lernt man mit der Zeit, sein Vorgehen dem Schicksal
anzupassen und das Optimale daraus zu machen. Auch wenn es zu Beginn anders
wirkt, das Ziehen der Plättchen entscheidet fast nie eine Partie.
Sind aber die ersten Gefechte überstanden (und hat der Mitspieler nicht bereits schreiend das Weite gesucht) entfaltet Neuroshima Hex mehr und mehr seine spielerische Klasse. Mit jedem Spiel dringt man etwas weiter in die taktischen Tiefen vor, lernt die einzelnen Fraktionen kennen und die Situation auf dem Schlachtfeld zu lesen. Das gelungene Thema und die sehr schöne Grafik helfen dabei, in die Spielwelt einzutauchen. Schnell erzeugt Neuroshima Hex dann einen ganz eigenen Reiz, ständig wollen neue Vorgehensweisen, Strategien oder Armeen erprobt werden. Wer also eine etwas längere Einarbeitungszeit und das post-apokalyptische Thema nicht scheut, der bekommt hier ein Spiel das in dieser Form seinesgleichen sucht. Und wer mit 4 Armeen noch nicht ausgelastet ist, der kann sich aus dem stetig wachsenden Fundus an Erweiterungen bedienen.
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