Als überzeugtes Landei bin
ich Großstädten gegenüber prinzipiell skeptisch eingestellt. Zu laut, zu
schnell, zu voll. Da bleibe ich lieber in meiner heimeligen Umgebung, wo der
Blick aus dem Fenster nicht mehr als ein Nachbarhaus und zwei Bauernhöfe in
einiger Entfernung offenbart. Und offensichtlich ist es hier auf dem Land auch
viel sicherer. Zumindest kann ich mich nicht an eine „kriminelle Handlung“
erinnern, die über das Stibitzen von ein paar reifen Äpfeln hinausging. Ganz
anders in der Großstadt Crime City, in die uns MicroMacro (Johannes Sich /
Edition Spielwiese) entführt.
Faltplan voller
Verbrechen
Die älteren unter uns
können sich bestimmt noch erinnern. Bevor es Navigationsgeräte und Handys gab,
war man als Reisender häufig auf überdimensionierte Faltpläne angewiesen. Die
waren nicht nur fast unmöglich wieder zusammen zu legen, sondern die Nutzung
artete häufig auch in eine Art Wimmelbild aus. Und damit wären wir auch schon
beim Thema. Denn genau solch ein Plan macht den wesentlichen Teil von
MicroMacro aus. Anders als gewohnt ist er allerdings schwarz/weiß und zeigt die
Aufnahme einer Großstadt inklusive Hafen, Nahverkehr und einer Vielzahl von
Gebäuden und Personen. Das Besondere dabei ist, dass wir keine Momentaufnahme
sehen. Vielmehr werden viele der Personen zu verschiedenen Zeiten dargestellt,
wodurch sich deren Bewegung in der Stadt zurückverfolgen lässt. Und genau das
ist unsere Aufgabe.
Krimis in kartenform
Um ganz ehrlich zu sein,
würde das schon fast genügen, um viel Spaß mit MicroMacro zu haben. Für ein vollwertiges
Spiel wäre es aber vielleicht doch etwas zu wenig. Darum befindet sich
zusätzlich ein großer Stapel Karten in der Box, die mehrere kleine Geschichten
erzählen. Zumeist müssen wir zuerst einen Tatort finden, den Hergang und das
Motiv rekapitulieren und am Ende den Täter erwischen. Die ersten Fälle sind
dabei denkbar einfach und mit ein paar Blicken auf den Plan in Minuten gelöst.
Spätere Fälle sind deutlich komplexer und benötigen auch die eine oder andere
Schlussfolgerung. Wer dennoch unterfordert ist, der kann die Karten gleich ganz
weglassen und sich nur anhand des Plans voran arbeiten. Oder einfach so auf
Streifzug gehen, denn zu entdecken gibt es reichlich.
Die Crime City hat definitiv
so ihre Probleme. Und auch MicroMacro ist nicht ohne Schwächen. Das beginnt
schon damit, dass man sehr gute Augen und optimale Lichtverhältnisse benötigt,
um etwas auf dem Plan zu erkennen. Auch die beilegende Lupe ist eher gut
gemeint als gut gemacht. Zugleich können nur dann sinnvoll mehr als zwei
Personen spielen, wenn manche Mitspieler über Kopf auf den Plan schauen. Auch
die Altersangabe ist mit Vorsicht zu genießen. Spielerisch können auch
Achtjährige ihren Spaß haben, die Themen sind aber oft alles andere als
kindgerecht. Zuletzt sind gerade die ersten Fälle so einfach, dass die meisten
Spieler wohl nur wenige Minuten benötigen.
Und dennoch: Trotz der
kleinen Macken macht MicroMacro einfach unglaublich viel Spaß. Allein die
kreativen und liebevollen Details des Plans können stundenlang fesseln. Überall
gibt es etwas zu entdecken, auch abseits der eigentlichen Aufgaben ist in Crime
City richtig viel los. Und so erwischt man sich auch während des Falls ständig
dabei, die Mitspieler auf besonders lustige (aber gerade komplett irrelevante)
Details hinzuweisen oder gar einer anderen Geschichte zu folgen. Doch auch die
Fälle selbst machen Spaß, die Schwierigkeit steigt mit der Zeit spürbar und die
Geschichten sind allesamt kreativ und unterhaltsam. So viel Spaß hatte ich mit
einem Wimmelbild schon lange nicht mehr.
Leben würde ich in der
Crime City ganz bestimmt nicht wollen. Auf meinen nächsten Besuch freue ich
mich aber schon jetzt.
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