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Mittwoch, 16. Juni 2021

Marvel Champions

Iron Man, Spiderman, Ultron… in den vergangenen Jahren dürfte es fast unmöglich gewesen sein, nicht hin und wieder etwas von Marvels Kino-Universum mitzubekommen. Und ich oute mich an dieser Stelle auch gerne: Ich bin großer Fan der Filme. Allerdings: Ich bin auch großer Fan der Comics, die mit den Filmen nicht immer besonders viel gemeinsam haben. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Asmodee ursprünglich darauf verzichtet hat, Marvel Champions (M. Boggs, N. French & C. Grace) auf Deutsch zu veröffentlichen. Denn das Spiel orientiert sich an den Comics. Wer „nur“ die Filme kennt, wird bereits in der Basisbox auf einige unbekannte Bösewichte und Charaktere treffen. 
 
 
 
 
 
Die Qual der Wahl
Die Aufgabe in Marvel Champions dürfte jedem Comic-Leser bekannt vorkommen: Ein verrückter Schurke verfolgt einen finsteren Plan, die edlen Recken versuchen ihn aufzuhalten. Die üblen Bösewichte, das sind in diesem Fall Rhino, Klaw und Ultron. Als edle Recken stehen Captain Marvel, She-Hulk, Spiderman, Black Panther und Iron-Man zur Wahl. Doch ist es bei Marvel Champions nicht allein mit der Wahl des Schurken und eines Helden pro Spieler getan, die alle in Form eines Kartendecks vorliegen. Vielmehr wird jedes Deck durch weitere Karten ergänzt. So bekommen die Gegner Unterstützung durch Bombenleger, die Masters of Evil oder Modok. Die Helden ergänzen ihr Deck mit neutralen Karten sowie denen eines Aspekts (Gerechtigkeit, Aggression, Schutz oder Führung), um die eigenen Stärken zu betonen oder Schwächen auszugleichen. 
 
 
Helden oder Alter-Ego
Sind alle Decks erstellt, beginnen die Helden die Schlacht. Und hier wird direkt eine Besonderheit sichtbar. Denn wir starten eben nicht mit Iron Man oder She-Hulk, sondern mit Tony Stark und Jennifer Walters. Während der Partie wechseln wir ständig unsere Rollen, schwanken zwischen aggressivem und ruhigem Vorgehen. Um den Gefahren zu begegnen, steht uns unser Kartendeck zur Verfügung. Darin finden wir kurzfristige Aktionen, Ausrüstung und sogar mächtige Verbündete. Als Kosten müssen wir stets andere Handkarten abwerfen. Welcher Teil von Black Panthers Ausrüstung ist wichtiger? Die Angriffskarte lieber spielen oder als Ressource nutzen und einen Mitstreiter in die Schlacht werfen? Selten sind die Entscheidungen offensichtlich, was fast immer zu einer spannenden Zwickmühle führt.
 
Der Schurke wehrt sich
Natürlich lassen sich weder Rhino noch Ultron die ständigen Angriffe der Helden gefallen. Nach unserem Zug schlägt die Gegenseite zurück. Je nachdem ob wir uns zum Kampf stellen oder lieber als Alter-Ego unauffällig bleiben, werden wir angegriffen oder der Plan des Schurken schreitet schneller voran. Hier die richtige Balance zu finden ist entscheidend für den Sieg. Denn wenn der Plan gelingt, hat das stets dramatische Konsequenzen für uns. Zu viel Schaden sollten wir aber besser auch nicht riskieren. Obendrein werden zum Abschluss der Runde stets noch Begegnungskarten gezogen, die mit fiesen Überraschungen aufwarten. So wird Rhinos Angriff noch verheerender oder Ultron schickt zusätzliche Drohnen in die Schlacht. Ein Chaos, das einem Marvel-Comic in nichts nachsteht.
 
 
Fazit
Ich beginne das Fazit heute einmal mit den negativen Punkten. Schließlich beginnen auch die meisten Comics mit Problemen für die Helden, mit unüberwindlichen Hindernissen und starken Gegnern, nur um am Ende dann doch… aber beginnen wir von vorne. Oder genauer: Mit dem Öffnen der Schachtel. Denn hier wartet bereits die erste negative Überraschung. Und damit meine ich nicht, dass die Schachtel viel Luft enthält. Das ist OK, schließlich müssen ja noch die Erweiterungen Platz finden. Was mich aber wirklich stört, ist das Fehlen von Kartentrennern. Die Karten lassen sich eigentlich nur in Zip-Tüten oder im Selbstbau sinnvoll lagern, selbst Schaumstoffblöcke fehlen. Das geht gar nicht.
 
Die nächste Überraschung folgt nach ein paar Partien, die dank vorgefertigter Decks schnell von der Hand gehen. Denn von ernsthaftem Deckbau sind wir hier meilenweit entfernt. Genau genommen sind nicht mal genug Karten enthalten, um alle fünf Helden gleichzeitig am Start zu haben. Entsprechend beschränkt sich der Deckbau im Wesentlichen darauf, jeden Helden mal mit den Aggressions-Karten, mal mit Verteidigung oder als Anführer zu spielen. Mehr ist anfänglich nicht drin. Natürlich bietet das dennoch schon einiges an Abwechslung. Insbesondere, wenn man es mit den Bösewichten vergleicht. Drei an der Zahl ist nicht gerade happig, auch wenn sie sich doch recht unterschiedlich spielen. Ein wenig mehr Abwechslung wäre schön gewesen. Zuletzt kann es sich auch spielerisch teilweise etwas ziehen. Dabei ist die Anfangsphase zumeist sehr spannend, am Ende kann das Aktivieren all der ausgespielten Karten aber schon mal etwas länger dauern. Zudem gibt es Phasen, in denen sich Schurke und Helden fast negieren und rundenlang kaum etwas passiert. Entsprechend spiele ich Marvel Champions auch maximal zu dritt, in Vollbesetzung empfinde ich den Leerlauf als zu lang.
 
Ihr gehört bestimmt zu denjenigen, die bei Comics zuerst das Ende lesen und bei Rezensionen direkt zur Wertungsbox springen. Nun, dann dürfte euch schon aufgefallen sein, dass ich Marvel Champions, all der Schwächen zum Trotz, wirklich gerne spiele. Und das liegt eben nichts zuletzt am Thema. Mir macht es einfach deutlich mehr Spaß mit Spiderman auf Rhino einzuprügeln als mit generischen Charakteren. Wenn ich Luke Cage als Verstärkung rufe und mit Black Panther „Wakanda über Alles!“ ausspiele, laufen in meinem inneren Auge direkt entsprechende Szenen aus Filmen, Serien und Comics ab. Wenn ihr damit nicht viel anfangen könnte, verliert Marvel Champions wohl direkt spürbar an Reiz.
 
Doch auch abseits vom Thema bietet das Spiel so Einiges. Insbesondere sind hier die sehr individuellen Charaktere und Schurken zu nennen. Während Spiderman vom Fleck weg effektiv ist, muss Iron-Man erst einmal mehrere Runden an seiner Rüstung basteln. Während Black Panther ein effektiver Blocker ist, teilt She-Hulk ordentlich Schaden aus. Und genau das lädt auch zu kooperativem Vorgehen ein. Denn das gemeinsame Agieren beschränkt sich eben nicht nur darauf, dem Bösewicht zusammen Schaden zuzufügen. Vielmehr hat jeder seine Aufgaben, kann sich bei einem Angriff vor den Verbündeten werfen oder Karten für die Mitstreiter nutzen. Dass jeder Schurke ein anderes Vorgehen verlangt, sorgt für zusätzlichen Widerspielreiz.
 
Keine Frage, Marvel Champions hat seine Schwächen. Und es ist offensichtlich, dass die Basisbox nur als Anfang gedacht ist. Denn auch wenn hier schon viel Spaß drinsteckt, wird man über kurz oder lang zu den Erweiterungen greifen. Solange ich mit so viel Spaß bei der Sache bin stören mich die Schwächen aber wenig und ich freue mich schon darauf, mit weiteren Helden in die Schlacht zu stürmen.
 
 

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