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Montag, 22. Juni 2015

Arler Erde



Ein spielerisches Denkmal
Wenn unsereins seiner Heimatstadt gedenken will, dann kramt er alte Fotos hervor oder stiftet vielleicht sogar mal eine Bank für den neuen Stadtpark. Nicht so Uwe Rosenberg. Wenn der gebürtige Ostfriesländer in nostalgische Stimmung gerät, dann entwickelt er einfach mal ein Spiel über den Ort seiner Kindheit. Und das gleich inklusive der gesamten Infrastruktur, von der Mühle über die Gerberei bis hin zu den Nachbarorten.

Thematisch und spielerisch bleibt Arler Erde (Feuerland Spiele) seinen Wurzeln dabei treu. Erneut betätigen wir uns landwirtschaftlich, bauen Getreide und Flachs an, züchten Tiere und lassen aus Watt und Moor nutzbares Land entstehen. Gänzlich neu ist dagegen die Spierzahl, die auf 2 begrenzt ist. Dass die Box dennoch einen beachtlichen Umfang hat, deutet bereits auf die hohe Komplexität hin.


 
Reichlich von Allem
Dass das Leben in Ostfriesland nichts für schwache Nerven ist, zeigt sich bereits beim Aufbau von Arler Erde. Mit einem kleinen Tisch brauchen wir erst gar nicht anfangen, muss doch reichlich Material untergebracht werden. Eine zentrale Position nimmt dabei der große Spielplan ein, auf dem rund 30 verschiedene Aktionen zu finden sind. Natürlich bekommt jeder Spieler seinen eigenen Heimatplan, den er im Spielverlauf nach seinen Wünschen (und Möglichkeiten) gestalten kann. Zusätzlich bekommt jeder Spieler noch eine Scheune mit Platz für eigene Fuhrwerke und auch die Gebäudeauslage sowie diverse Plättchen und Marker wollen untergebracht werden. Viel aufzubauen und viel zu besprechen also.



Die eigenen vier Wände (und alles darum herum)
Aber beginnen wir am besten mit dem Heimatplan. Anfänglich besteht dieser aus reichlich Moor und Wattland, welches für die weitere Bebauung gänzlich ungeeignet ist. Glücklicherweise befinden sich aber auch bereits einige Felder (Getreide und Raps) sowie ein Stall mit Pferd in unserem Besitz. Was darüber hinaus auffällt ist, dass sich auf vielen Feldern Minuspunkte befinden. Diese zu entfernen sollte eines unserer vorrangigen Ziele sein. Dazu muss etwa der Deich verlagert oder das Moor trockengelegt werden. Glücklicherweise liefert dies obendrein zusätzliche Baufläche, die wir wiederrum für den Ausbau unseres Gutes verwenden können. Wie genau erreichen wir aber nun diese Ziele?

Viel zu tun, wenig Zeit
Genau hier kommt der zentrale Aktionen-Plan ins Spiel. Insgesamt 9 Halbjahre haben wir Zeit, in denen wir jeweils 4 Arbeiter auf den gewünschten Aktionen einsetzen können. Dabei unterteilen sich die Halbjahre in Sommer und Winter und damit auch in verschiedene Aktionsmöglichkeiten. Eine eingehendere Betrachtung spare ich mir an dieser Stelle, erfahrene Spieler werden aber durchaus Parallelen zu früheren Werken entdecken. So können wir Felder bestellen und Tiere erwerben, Gebäude und Karren bauen oder schlicht verschiedene Waren umwandeln. Wie effektiv manche der Aktionen dabei sind, hängt nicht zuletzt vom eigenen Fortschritt ab. Konnte ich etwa in einer vorherigen Aktion die Zahl meiner Schaufelpaare erhöhen, steche ich nun etwas besser Torf. Natürlich lassen sich auf diesem Wege auch allerlei Ketten bilden. Zuvor erworbene Tiere lassen sich etwa für Nahrung und Leder schlachten, woraus ich im weiteren Verlauf punkteträchtige Lederkleidung herstelle.

Haben beide Spieler ihre 4 Aktionen eines Halbjahres abgeschlossen, folgt die übliche Verwaltungsphase. Je nachdem ob es gerade Sommer oder Winter war können Felder geerntet, Schafe geschoren oder Kühe gemolken werden. Natürlich erhalten wir in dieser Zeit auch tierischen Nachwuchs, müssen die eigene Familie durchfüttern und für Wärme sorgen.

Und was war mit der Scheune?
Da all dies mit einer so überschaubaren Menge an Aktionen aber kaum zu schaffen ist, hat der Autor in seiner unendlichen Güte die Fuhrwerke eingeführt. Diese lassen sich in verschiedenen Formen und Größen bauen und in der eigenen Scheune platzieren. Dort können sie von nun an mit Waren beladen werden, die am Ende eines Halbjahres automatisch veredelt werden. So wird etwa Holz zu Brettern verarbeitet, aus Wolle wird Kleidung und aus Lehm werden Ziegel gebrannt. Eine effektive Methode um nebenbei ein paar Punkte zu schachern oder an wichtige Baumaterialien heranzukommen.

Alternativ ermöglichen die Fuhrwerke auch zu reisen. Dazu stehen anfänglich mehrere Zielorte zur Verfügung die allesamt auf verschiedene Güter warten. Hat man diese gerade übrig, können sie gegen Nährwerte getauscht werden und obendrein bringt der bereiste Ort Siegpunkte.

Und wofür das Alles?
Wer innerhalb von nur 9 Halbjahren so viel leistet, der will natürlich auch reichlich dafür entlohnt werden. Und auch hier gilt bei Arler Erde: Klotzen geht über Kleckern. Und so hagelt es in der Schlusswertung Punkte für quasi alles. Gebäude, Tiere, Fuhrwerke, Reisen, Wälder, Kleidung, Baumaterial, und.. und… und. Also alles schön auf dem beiliegenden Wertungsblock aufaddieren, Minuspunkte (etwa für fehlende Fuhrwerke oder mangelhafte Ernährung) abziehen und schon steht der Sieger fest.


Fazit
Arler Erde ist ein typischer Rosenberg mit dutzenden von Möglichkeiten und mindestens ebenso vielen Vorgehensweisen. Gerade in den ersten Partien kann dies verwirrend sein, die Unmenge an Material tut ihr Übriges. Überall winken dabei Punkte, sich für einen Weg zu entscheiden ist nicht leicht. Und gerade dieser Punkteregen wird von vielen Spielern als problematisch empfunden. Es scheint kaum relevant welchen Weg man einschlägt, lohnend ist doch alles. Obwohl dies durchaus der Wahrheit entspricht, ist es für mich aber auch einer der größten Pluspunkte. Denn selbst der Verlierer hat bei Arler Erde am Ende das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Ein schöner Hof, viele Tiere oder eine florierende Lederproduktion. Unabhängig von den Punkten kann sich jeder über das Erreichte freuen.

Auch die fehlende Innovation wird dem Autor immer wieder angekreidet, finden sich doch in jedem Spiel aufs neue Parallelen zu Vorgängern wie Agricola oder LeHavre. Auch in Arler Erde werden erfahrene Spieler viel Bekanntes entdecken. Und doch ist das Spielgefühl ein gänzlich anderes. Auffällig ist dabei insbesondere, dass es kaum Zwänge gibt. Die Ernährung läuft quasi nebenbei, die Minuspunkte sind zu verschmerzen, für essentielle Aktionsfelder gibt es fast immer Ausweichmöglichkeiten. Entsprechend spielt sich Arler Erde deutlich freundlicher und, gerade auch in den ersten Partien, weniger frustrierend.

Positiv hervorheben möchte ich darüber hinaus, dass Uwe Rosenberg ein rund 60 Seiten starkes Begleitheft über seine Heimat beigelegt hat, um die Spielelemente in einen historischen Kontext zu setzen. Dadurch gleicht Arler Erde in seiner Gesamtheit fast schon einem Kunstwerk.

Noch nicht genug von Spielen für 2 von Uwe Rosenberg? Hier findet ihr die Rezension zu Patchwork. Oder wie wäre es mit Jäger und Späher von Kosmos (hier klicken)?


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