Ein
spielerisches Denkmal
Wenn unsereins seiner
Heimatstadt gedenken will, dann kramt er alte Fotos hervor oder stiftet
vielleicht sogar mal eine Bank für den neuen Stadtpark. Nicht so Uwe Rosenberg.
Wenn der gebürtige Ostfriesländer in nostalgische Stimmung gerät, dann
entwickelt er einfach mal ein Spiel über den Ort seiner Kindheit. Und das
gleich inklusive der gesamten Infrastruktur, von der Mühle über die Gerberei
bis hin zu den Nachbarorten.
Thematisch und
spielerisch bleibt Arler Erde (Feuerland Spiele) seinen Wurzeln dabei treu.
Erneut betätigen wir uns landwirtschaftlich, bauen Getreide und Flachs an,
züchten Tiere und lassen aus Watt und Moor nutzbares Land entstehen. Gänzlich
neu ist dagegen die Spierzahl, die auf 2 begrenzt ist. Dass die Box dennoch
einen beachtlichen Umfang hat, deutet bereits auf die hohe Komplexität hin.
Reichlich
von Allem
Dass das Leben in
Ostfriesland nichts für schwache Nerven ist, zeigt sich bereits beim Aufbau von
Arler Erde. Mit einem kleinen Tisch brauchen wir erst gar nicht anfangen, muss
doch reichlich Material untergebracht werden. Eine zentrale Position nimmt
dabei der große Spielplan ein, auf dem rund 30 verschiedene Aktionen zu finden
sind. Natürlich bekommt jeder Spieler seinen eigenen Heimatplan, den er im
Spielverlauf nach seinen Wünschen (und Möglichkeiten) gestalten kann.
Zusätzlich bekommt jeder Spieler noch eine Scheune mit Platz für eigene
Fuhrwerke und auch die Gebäudeauslage sowie diverse Plättchen und Marker wollen
untergebracht werden. Viel aufzubauen und viel zu besprechen also.
Die
eigenen vier Wände (und alles darum herum)
Aber beginnen wir am
besten mit dem Heimatplan. Anfänglich besteht dieser aus reichlich Moor und
Wattland, welches für die weitere Bebauung gänzlich ungeeignet ist.
Glücklicherweise befinden sich aber auch bereits einige Felder (Getreide und
Raps) sowie ein Stall mit Pferd in unserem Besitz. Was darüber hinaus auffällt
ist, dass sich auf vielen Feldern Minuspunkte befinden. Diese zu entfernen
sollte eines unserer vorrangigen Ziele sein. Dazu muss etwa der Deich verlagert
oder das Moor trockengelegt werden. Glücklicherweise liefert dies obendrein
zusätzliche Baufläche, die wir wiederrum für den Ausbau unseres Gutes verwenden
können. Wie genau erreichen wir aber nun diese Ziele?
Viel
zu tun, wenig Zeit
Genau hier kommt der zentrale
Aktionen-Plan ins Spiel. Insgesamt 9 Halbjahre haben wir Zeit, in denen wir jeweils
4 Arbeiter auf den gewünschten Aktionen einsetzen können. Dabei unterteilen
sich die Halbjahre in Sommer und Winter und damit auch in verschiedene
Aktionsmöglichkeiten. Eine eingehendere Betrachtung spare ich mir an dieser
Stelle, erfahrene Spieler werden aber durchaus Parallelen zu früheren Werken
entdecken. So können wir Felder bestellen und Tiere erwerben, Gebäude und
Karren bauen oder schlicht verschiedene Waren umwandeln. Wie effektiv manche
der Aktionen dabei sind, hängt nicht zuletzt vom eigenen Fortschritt ab. Konnte
ich etwa in einer vorherigen Aktion die Zahl meiner Schaufelpaare erhöhen,
steche ich nun etwas besser Torf. Natürlich lassen sich auf diesem Wege auch
allerlei Ketten bilden. Zuvor erworbene Tiere lassen sich etwa für Nahrung und
Leder schlachten, woraus ich im weiteren Verlauf punkteträchtige Lederkleidung
herstelle.
Haben beide Spieler ihre
4 Aktionen eines Halbjahres abgeschlossen, folgt die übliche Verwaltungsphase.
Je nachdem ob es gerade Sommer oder Winter war können Felder geerntet, Schafe
geschoren oder Kühe gemolken werden. Natürlich erhalten wir in dieser Zeit auch
tierischen Nachwuchs, müssen die eigene Familie durchfüttern und für Wärme
sorgen.
Und
was war mit der Scheune?
Da all dies mit einer so
überschaubaren Menge an Aktionen aber kaum zu schaffen ist, hat der Autor in
seiner unendlichen Güte die Fuhrwerke eingeführt. Diese lassen sich in
verschiedenen Formen und Größen bauen und in der eigenen Scheune platzieren.
Dort können sie von nun an mit Waren beladen werden, die am Ende eines
Halbjahres automatisch veredelt werden. So wird etwa Holz zu Brettern verarbeitet,
aus Wolle wird Kleidung und aus Lehm werden Ziegel gebrannt. Eine effektive
Methode um nebenbei ein paar Punkte zu schachern oder an wichtige
Baumaterialien heranzukommen.
Alternativ ermöglichen
die Fuhrwerke auch zu reisen. Dazu stehen anfänglich mehrere Zielorte zur
Verfügung die allesamt auf verschiedene Güter warten. Hat man diese gerade
übrig, können sie gegen Nährwerte getauscht werden und obendrein bringt der
bereiste Ort Siegpunkte.
Und
wofür das Alles?
Wer innerhalb von nur 9 Halbjahren
so viel leistet, der will natürlich auch reichlich dafür entlohnt werden. Und
auch hier gilt bei Arler Erde: Klotzen geht über Kleckern. Und so hagelt es in
der Schlusswertung Punkte für quasi alles. Gebäude, Tiere, Fuhrwerke, Reisen,
Wälder, Kleidung, Baumaterial, und.. und… und. Also alles schön auf dem
beiliegenden Wertungsblock aufaddieren, Minuspunkte (etwa für fehlende
Fuhrwerke oder mangelhafte Ernährung) abziehen und schon steht der Sieger fest.
Fazit
Arler Erde ist ein
typischer Rosenberg mit dutzenden von Möglichkeiten und mindestens ebenso vielen
Vorgehensweisen. Gerade in den ersten Partien kann dies verwirrend sein, die
Unmenge an Material tut ihr Übriges. Überall winken dabei Punkte, sich für
einen Weg zu entscheiden ist nicht leicht. Und gerade dieser Punkteregen wird
von vielen Spielern als problematisch empfunden. Es scheint kaum relevant
welchen Weg man einschlägt, lohnend ist doch alles. Obwohl dies durchaus der
Wahrheit entspricht, ist es für mich aber auch einer der größten Pluspunkte.
Denn selbst der Verlierer hat bei Arler Erde am Ende das Gefühl, etwas erreicht
zu haben. Ein schöner Hof, viele Tiere oder eine florierende Lederproduktion. Unabhängig
von den Punkten kann sich jeder über das Erreichte freuen.
Auch die fehlende
Innovation wird dem Autor immer wieder angekreidet, finden sich doch in jedem
Spiel aufs neue Parallelen zu Vorgängern wie Agricola oder LeHavre. Auch in
Arler Erde werden erfahrene Spieler viel Bekanntes entdecken. Und doch ist das
Spielgefühl ein gänzlich anderes. Auffällig ist dabei insbesondere, dass es kaum
Zwänge gibt. Die Ernährung läuft quasi nebenbei, die Minuspunkte sind zu
verschmerzen, für essentielle Aktionsfelder gibt es fast immer
Ausweichmöglichkeiten. Entsprechend spielt sich Arler Erde deutlich
freundlicher und, gerade auch in den ersten Partien, weniger frustrierend.
Positiv hervorheben
möchte ich darüber hinaus, dass Uwe Rosenberg ein rund 60 Seiten starkes
Begleitheft über seine Heimat beigelegt hat, um die Spielelemente in einen
historischen Kontext zu setzen. Dadurch gleicht Arler Erde in seiner Gesamtheit
fast schon einem Kunstwerk.
Noch nicht genug von
Spielen für 2 von Uwe Rosenberg? Hier findet ihr die Rezension zu Patchwork. Oder
wie wäre es mit Jäger und Späher von Kosmos (hier klicken)?
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