Heutzutage beobachten
dutzende Blogger und noch viel mehr Spielbegeisterte die Szene, durchleuchten
jeden Neuheitenkatalog und saugen auch noch die winzigste Information auf.
Unter diesen Bedingungen scheint es ja Schlichterdings unmöglich, noch
überrascht zu werden. Entsprechend wusste natürlich auch jeder bereits im
Vorfeld, welche Spiele im Mai zum Spiel des Jahres nominiert werden würden.
Überraschungen ausgeschlossen. Zumindest bis die Jury mit Broom Service (Andreas
Pelikan und Alexander Pfister / Alea, Ravensburger) einen Titel zum Kennerspiel
nominiert hat, den wohl tatsächlich niemand auf der Rechnung hatte (hier nachzulesen).
Dies dürfte nicht
zuletzt daran gelegen haben, dass viele in dem Spiel nur eine Neuauflage von
„Wie Verhext“ sahen. Und tatsächlich haben beide den gleichen Kernmechanismus
und ein identisches Thema. Aber Broom Service hat noch viel mehr zu bieten.
Die
Rollen
Beginnen wir direkt
einmal mit dem Kernelement: Den Rollenkarten. Jeder Spieler bekommt zu
Spielbeginn einen identischen Satz aus 10 Karten und wählt in jeder Runde 4 davon
aus. Diese ermöglichen beim Ausspielen verschiedene Aktionen, welche mehr oder
weniger direkt dem Erwerb von Siegpunkten dienen. So können wir etwa mit der
Hilfe von Sammlern Rohstoffe (Tränke oder Zauberstäbe) erwerben, Hexen und
Druiden liefern diese an passender Stelle für Siegpunkte ab. Die Wetterfee
dagegen sorgt für Sonnenschein, indem sie punkteträchtige Wolken mittels Zauberstab
weghext und damit den Weg frei räumt. Klingt bis hierhin ganz einfach. Bis man
sich die Karten genauer anschaut und darauf 2 verschiedene Optionen entdeckt.
Mutig
oder feige
Beim Ausspielen jeder der
10 Rollenkarten muss der Spieler entscheiden, ob er die Aktion „mutig“ oder
„feige“ ausführen möchte. Entscheidet man sich dabei für feiges Vorgehen, ist
eine überschaubare Ausbeute sicher. Deutlich mehr Ertrag verspricht dagegen die
mutige Variante, allerdings nicht ohne Risiko. Denn nachdem eine Karte gespielt
wurde, muss reihum jeder Spieler die gleiche Karte ausspielen, sofern
vorhanden. Während die feigen Spieler dabei sicher etwas bekommen, gehen alle
bis auf den letzten Mutigen leer aus. Also lieber mal den kleinen Trank in der
Hand nehmen, als den ganzen Kessel auf dem Dach zu riskieren.
Der
Plan
Bis hierhin ähnelt Broom
Service noch weitestgehend seinem Vorgänger. Gänzlich neu ist dagegen der
Spielplan. Denn Tränke lassen sich keineswegs einfach überall abstellen.
Vielmehr befinden sich auf dem Spielplan verteilt Türme, die für farblich
passende Tränke Punkte offerieren. Viele dieser Türme können nur einmal
beliefert werden, um Reisen kommt man also kaum herum. Obendrein bieten weit
entfernte Türme deutlich mehr Punkte, mittels Hexen über den Plan zu fliegen
kann sich also durchaus lohnen.
Lukrative Möglichkeiten
bieten auch einige der Ereigniskarten. Insgesamt 7 von 10 davon sind jedes Mal
mit von der Partie und für genau 1 Runde gültig. Zumeist werden hierbei
einzelne Spielregeln außer Kraft gesetzt, wodurch etwa jede Karte mutig
gespielt werden muss oder mehr Handkarten erlaubt sind. Natürlich sind auch
wieder auf verschiedensten Wegen Punkte zu gewinnen. Und genau davon wollen wir
Schlussendlich am meisten haben, um als Sieger vom Besen zu steigen.
Die
Varianten
Wem all dies noch nicht
ausreicht, für den haben die Autoren gleich noch Varianten beigelegt die das
Spiel abwechslungsreicher aber auch komplexer gestalten. So beeinflussen Wolken
etwa die direkte Umgebung oder über dem Plan verteilte Geländeplättchen liefern
Boni für denjenigen, der das entsprechende Feld betritt. Abwechslung verspricht
obendrein der beidseitige Spielplan. Insgesamt eine gelungene Lösung um
einerseits einen einfachen Einstieg, andererseits aber auch eine gewisse
Komplexität sicherzustellen.
Fazit
Nach der Wahl der Jury
hat sich die Berichterstattung zu Broom Service in den vergangenen Wochen
naturgemäß deutlich gesteigert. Und einige Worte lassen sich dabei fast immer
finden: Entscheidungen, Spannung, Emotionen, Schadenfreude. In Broom Service
scheint es also hoch her zugehen. Und tatsächlich lebt das Spiel wie wenige Andere
von der direkten Interaktion mit den Mitspielern, vom Durchkreuzen der Pläne
und den häufigen und niemals trivialen Entscheidungen. Auch ich habe selten
eine Partie erlebt, in der die Emotionen nicht hoch gekocht wären.
Allerdings muss ich auch
ganz klar sagen, dass dies nicht immer von Vorteil ist. Denn in Broom Service werden
eigene Pläne in Sekundenschnelle zunichte gemacht, Karten wie Mitspieler können
einem übel Mitspielen und nicht selten bekommen einzelne Spieler absolut keinen
Fuß auf den Boden. In solchen Momenten stehe auch ich häufig kurz davor, in die
Tischplatte zu beißen und mich nach einer Partie Elysium (hier) oder Auf den Spuren von Marco Polo
(hier) zu sehnen. Dabei wird das Spiel mit steigender Spielerzahl
unberechenbarer, im gleichen Maße nehmen aber auch jene Emotionen zu. Wie man
selbst zu solchen Spielelementen steht muss jeder selbst entscheiden. Reichlich
davon geboten werden auf jeden Fall.
Dass Broom Service zum
Kennerspiel des Jahres nominiert wurde, kann ich dennoch gut nachvollziehen.
Denn in kaum einem Spiel der letzten Jahre war man als Spieler stets so
involviert, hat jede Sekunde mitgefiebert und ständig zwischen Verzweiflung und
Schadenfreude geschwankt.
Hab das Spiel vor längerer Zeit für nen Zehner neu gekauft und einige Male gespielt - und dann entnervt weggepackt: Entweder haben wir die Anleitung nicht verstanden und was falsch gemacht, oder der Mechaismus funktioniert einfach nicht. Egal ob vorsichtig oder mutig, man hatte so gut wie nie genug Zauberstäbe, um die Wolken wegzuzaubern. Und wegen der Wolken kam man dann nicht vorran, und dann waren die sieben Durchgänge auch schon rum.
AntwortenLöschenVielleicht wird es deshalb seit Jahren immer wieder so billig angeboten und regelrecht verramscht?