Heute beginne ich meinen
Beitrag mal direkt mit einem Geständnis. Denn obwohl ich mich eigentlich für
einen aufgeschlossenen Menschen halte, scheine ich manchmal doch nicht frei von
Vorurteilen zu sein. Sobald ich das Bild eines bärtigen Rockers sehe, bin
ich felsenfest der Meinung, dass dieser Herr keinen Valentinstag feiert. Oder
die Dame dort mit den teuren Halsketten und den schmucken Ohrringen… die kann
bestimmt absolut nicht kochen. OK, das mag mich jetzt nicht unbedingt zu einem
handfesten Rassisten machen, aber eine solch „herausragende“ Menschenkenntnis
ist mit Sicherheit vorteilhaft für eine Partie „Die unüblichen Verdächtigen“ (Paolo
Mori / Heidelberger Spieleverlag).
Gemeinsam versuchen wir
dabei, den wahren Täter unter 12 Verdächtigen ausfindig zu machen. Während
einer von uns den Schuldigen mittels abstruser Hinweise eingrenzt,
arbeitet der Rest gemeinsam daran alle Unschuldigen auszuschließen.
Zu
viele Verdächtige
Die Zeugen von Heute
sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Da hat endlich jemand den Juwelendieb
gesehen, und dann ist sein Gedächtnis am ehesten mit Wackelpudding zu
vergleichen, der durch ein Küchensieb tropft. Oder wie sonst ist zu erklären,
dass wir insgesamt 12 Verdächtige in Form von Porträtkarten vor uns liegen
haben, die allesamt grundverschieden aussehen. Und dennoch kann unser Zeuge den
wahren Täter nicht sicher identifizieren. Glücklicherweise ist er dennoch nicht
gänzlich unnütz. Und so zieht der Zeuge jede Runde eine Fragekarte, liest diese
laut vor und beantwortet sie mit ja oder nein. Die übrigen Spieler dürfen dann
gemeinsam beraten, was sie mit Aussagen wie „Der Verdächtige hat einen Hund“
oder „Die Verdächtige hat Angst vorm Fliegen“ anfangen können.
Wir
grenzen die Sache ein
Egal wie unnütz die
Antwort ist, stets müssen wir Ermittler nun einen Verdächtigen entlassen. Also
einfach das Porträt umgedreht und auf die Reaktion des Zeugen gewartet. Sollte
es allerdings tatsächlich mal einen hilfreichen Tipp gegeben haben, können wir
durchaus auch mehrere Verdächtige in einem Zug entlassen. Denn der junge und
schnittige Herr dort drüben wohnt mit Sicherheit ebenso wenig bei seiner Mama
wie der Rocker mit Goldkettchen hier vorne. Naja, es sei denn der Zeuge ist der
Meinung, dass der junge und schnittige Herr vielleicht doch eher ein
Muttersöhnchen ist und das Spiel damit vorzeitig endet.
Nur
ein Täter
Sollten wir es aber
tatsächlich schaffen alle 11 Unschuldigen zu entlassen, haben Zeugen und
Ermittler gemeinsam gewonnen. Dabei ist es erst einmal unerheblich, wie lange
wir dafür gebraucht haben. Denn die Gerechtigkeit hat gesiegt und wir einen
üblen Juwelendieb dingfest gemacht. Nur wie sehr die Gerechtigkeit gesiegt hat,
das gibt eine Punktewertung an. Dabei lohnt es sich, Verdächtige frühzeitig
auszuschließen, je länger die Ermittlung dauert desto schlechter die Wertung.
Und genau das sorgt dafür, dass wir vielleicht doch im falschen Moment eine
Person zu viel umdrehen und jede Partie „Die unüblichen Verdächtigen“ aufs Neue
spannend ist.
Fazit
OK, vielleicht habe ich
damit schon etwas zu viel vorausgenommen. Aber das „Die unüblichen
Verdächtigen“ sehr kurzweilig und unterhaltsam ist, war jetzt ja wohl auch kein
Staatsgeheimnis mehr. Das gemeinsame Raten macht dabei ebenso viel Spaß wie die
Rolle des Zeugen, einfache Regeln und unterhaltsame Porträts runden das Paket
ab. Dabei brilliert das Spiel insbesondere dann, wenn die Meinung der Zeugen
und der Ratenden eklatant auseinandergehen. „Wie könnt ihr der Meinung sein,
dieser nette Herr wäre vorbestraft?“ oder „Warum zum Geier soll ausgerechnet
die da keinen Hund haben?“. In solchen Fälle ist Stimmung am Tisch garantiert.
Zugleich stellen die
eigentlich unterhaltsamen Fragekarten aber auch die einzige (kleine)
Schwachstelle des Spiels dar. Denn eigentlich ist die Auswahl der Karten zwar
wirklich umfangreich, zugleich ähneln sich einige davon (etwa die Fragen nach
Luxusbesitz) deutlich. Glücklicherweise passiert das doch eher selten. Dennoch
schränkt das gerade den langfristigen Spaß doch etwas ein. Ein weiteres kleines
Manko sind die vereinzelt etwas ungeschickt formulierten Fragen wie etwa „mag keine Kinder“. Da
hier mit ja oder nein geantwortet werden muss, ist ein verwirrtes Nachfragen
(ähh… mag nicht keine Kinder?) fast garantiert.
Dennoch handelt es sich
hier eher um Kleinigkeiten, die das Gesamtbild kaum trüben. Denn „Die
unüblichen Verdächtigen“ ist ein durchweg unterhaltsames und gutes Spiel. Etwas
problematischer dürfte dagegen sein, dass aktuell mit Codenames (HIER) und Mysterium (HIER) zwei herausragende Spiele mit
ähnlichem Spielgefühl auf dem Markt sind. Und hinter diesen Hochkarätern bleibt
Die unüblichen Verdächtigen dann doch etwas zurück,
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