Ein Spiel, das auf einem Videospiel
basiert, das wiederum klar von Brettspielen inspiriert wurde. Klingt irgendwie
immer noch seltsam, ist inzwischen aber gar nicht mehr so ungewöhnlich. Mit
Dorfromantik wurde schließlich sogar ein entsprechendes Werk mit dem Preis
„Spiel des Jahres“ ausgezeichnet. Auch Slay the Spire (Gary Dworetsky, Casey
Yano, Anthony Giovannetti / Nice Game Publishing) geht den Umweg über PC und
Konsole. Doch wo Dorfromantik eher klassische Familienspieler anspricht,
richtet sich Slay the Spire mit seinem ausufernden Material und einer Spielzeit
von mehren Stunden klar an erfahrene Spielerinnen.
Rogue-Like-Brettspiel
Wer das Videospiel kennt, fühlt sich
beim Brettspiel sofort zu Hause. Für alle anderen: Bei Slay the Spire handelt
es sich um ein kooperatives Rogue-like-Spiel. Wir wählen also einen Charakter,
bekämpfen mit diesem Gegner, leveln, sammeln Ausrüstung, besiegen mächtigere
Gegner… bis wir entweder den finalen Boss bezwingen oder unterwegs das
Zeitliche segnen. In beiden Fällen beginnen wir im nächsten Anlauf wieder bei null,
Legacy-Elemente oder eine Kampagne gibt es (fast) nicht.
Das Kartendeck
Was Slay the Spire so interessant macht,
das sind die Charaktere und deren Entwicklung. Gerade einmal vier verschiedene
gibt es in er Box, doch zu jedem gehört ein großer Stapel Karten. In den
meisten Fällen beginnen wir unser Abenteuer mit 10 recht schwachen Basiskarten.
Nach besiegten Gegnern ziehen wir 3 neue, wählen eine davon aus und fügen sie
unserem Deck hinzu. Jeder Charakter hat dabei sehr unterschiedliche
Möglichkeiten und Strategien. So kann etwa die Stille mit Dolchen oder Gift
Schaden verursachen, der Eiserne teilt eher heftige Schläge aus und kann sich
selbst heilen. Welchen Weg ihr einschlagt, variiert stark mit den gezogenen
Karten, was in jeder Partie zu gänzlich neuen Spielerlebnissen führt.
Der Kampf
Während die Entwicklung unseres Decks
den wesentlichen Reiz des Spiels ausmacht, verwenden wir einen Großteil der
Zeit auf den Kampf. Dieser fällt zwar eigentlich recht simpel aus, bietet
aufgrund der großen Zahl an Sonderfähigkeiten, Statuseffekten und Gegnern aber
reichlich Abwechslung. Immer gleich ist dabei, dass wir Karten ziehen und diese
ausspielen, indem wir sie mit Energie bezahlen. Wie gewohnt sind bessere Karten
teurer und da Energie stets knapp ist, will jede Karte wohl überlegt sein. Die
meisten Effekte drehen sich darum, dass die Karte entweder Schaden verursacht
oder Schild aufbaut. Denn wenn wir den Gegner nicht direkt erschlagen, sollten
wir uns gegen den einkommenden Schaden wappnen. Und hier ist auch ein
wesentlicher Unterschied zum Videospiel. Denn am Spieltisch können wir
kooperativ vorgehen, uns gegenseitig schützen und einzelne Gegner schnell
ausschalten. Das senkt etwas die Schwierigkeit, extrem unausgewogene
Kartenhände können durch die Mitspielerinnen kompensiert werden.
Und noch so einiges mehr
Natürlich gäbe es über Slay the Spire
noch einiges mehr zu sagen. So sammeln wir etwa nicht nur neue Karten, wir
können diese auch aufwerten und in den enthaltenen Kartenhüllen wenden. Zudem
stärken Tränke und Gegenstände unsere Kampfkraft, nach ein paar Partien
schalten wir neue Karten frei und auch an einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad
mit immer neuen Herausforderungen wurde gedacht. Gerade letzteres ist eine sehr
willkommene Dreingabe. Denn nachdem der letzte Boss gelegt war, hatten wir noch
lange nicht genug.
Fazit
Bei der Entwicklung von Slay the Spire wurde
offensichtlich sehr viel Mühe darauf verwendet, möglichst nah am Original zu
bleiben. Und das ist wirklich herausragend gut gelungen. Ein paar kleinere
Anpassungen gibt es natürlich, problematisch ist aber keine davon. Gerade die
Möglichkeit mit mehreren Spielern zu spielen, empfinde ich sogar als enorme
Bereicherung. Für Fans des Videospiels also eine klare Empfehlung. Doch auch
alle anderen sollten mal einen Blick riskieren. Denn die Mischung aus
Charakterentwicklung, spannenden Kämpfen und interessantem Teamwork empfinde
ich als wirklich reizvoll. Vier Charaktere klingt nicht nach viel, aber dennoch
entwickelt sich jede Runde anders auch nach einem Dutzend Partien habe ich bei
Weitem nicht das Gefühl, alles entdeckt zu haben.
Kleinere Kritikpunkte gibt es aber
natürlich dennoch. Und einer davon fällt leider schon vor der Partie auf. Denn
die Anleitung ist nicht wirklich gelungen. Wer das Video-Spiel nicht kennt,
wird nach dem Lesen sicher einige Fragezeichen über dem Kopf haben. Und auch
nach mehreren Spielstunden kommen immer wieder Fragen zu Effekten,
Sonderfähigkeiten und deren Zusammenspiel auf, die sich schlicht nicht
einwandfrei beantworten lassen. Auch die Spielzeit ist eine Herausforderung und
fällt deutlich länger aus als beim Videospiel. Klar, ein Akt lässt sich von
erfahrenen Spielerinnen durchaus in 90 Minuten spielen. Allerdings sind es eben
3 Akte, bis man den finalen Boss erreicht. Zwar lässt sich das Spiel zwischen
den Partien speichern, kann dann aber nicht in einer anderen Gruppe gespielt
werden. Fairerweise muss man aber sagen, dass das nur sehr selten ein Problem
ist. Denn zumindest bei mir wollte noch keine Gruppe nach dem ersten Akt
aufhören.
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