Eine Frage die man als
Rezensent immer wieder zu hören bekommt ist, wie oft die Spiele eigentlich vor
der Bewertung gespielt werden. Üblicherweise antworte ich darauf mit: „Bis ich
mir meiner Wertung sicher bin“. Mit wunderbarem Politiker-Deutsch habe ich
damit zwar durchaus auf die Frage geantwortet, schlauer ist mein Gegenüber
jetzt allerdings auch nicht. Die perfekte Antwort also. Bis jetzt. Denn jetzt
wird es langsam Zeit, eine Rezension zu 504 (Friedemann Friese / 2F-Spiele) zu
schreiben. Und ganz egal wie oft ich 504 nun tatsächlich schon gespielt habe…
das Gefühl, mir meiner Wertung sicher zu sein, will sich einfach nicht
einstellen.
Einerseits mag das
Problem mit meinem steigenden Alter, zunehmender Inkompetenz oder einfach
nachlassender Geisteskraft zu tun haben. Andererseits könnte es aber auch
einfach nur daran liegen, dass 504 eigentlich nicht nur ein Spiel ist. Sondern
eben 504. Und was für welche.
Was
ist 504?
Bevor ich hier weiter
ins Detaille gehe, sollte entsprechend erst einmal eine ganz einfache Frage
geklärt werden: Was ist 504 für ein Spiel? Ganz einfach…. das ich nicht lache.
Denn eigentlich ist 504 mehr ein Projekt, eine Sammlung, eine Studie als ein
Spiel. 504 enthält in allererster Linie viel Spielmaterial, ein Regelbuch und
ein Buch der Welten. Und genau in diesem Buch der Welten finden sich insgesamt
neun unterschiedliche Module (Regelkonzepte), mit denen gespielt werden kann.
Stets suche ich mir vor meiner Partie genau drei davon aus und bestimme damit
Aufbau, Regeln und Ablauf meiner Partie. Da es obendrein auch noch relevant ist
ob ich ein Modul an erster, zweiter oder dritter Stelle wähle, ergeben sich
fast unendliche Kombinationen. Fast. Denn in der Realität kommt man auf diese
Weise eben auf genau 9*8*7 Möglichkeiten. Also 504.
Die
Module
So, jetzt habe ich schon
mehrfach von Modulen gesprochen. Vielleicht wird es Zeit, diese genauer zu
beleuchten. Aber auch das gestaltet sich gar nicht so einfach. Ich könnte jetzt
schlicht sagen, dass es sich bei den Modulen um Transport, Wettlauf,
Privilegien, Militär, Entdecken, Straßen, Mehrheiten, Produktion und Aktien
handelt. Wirklich schlauer seid ihr dann aber leider auch nicht, denn die
Regeln jedes Moduls ändern sich merklich in Abhängigkeit der gewählten Position
sowie den weiteren gewählten Modulen. Dabei bestimmt das Modul an Stelle eins
das Spielende und wofür es Siegpunkte gibt. Modul zwei regelt in weiten Teilen,
wofür wir Einkommen erhalten. Modul drei ist im Endeffekt für alles andere
verantwortlich und sorgt für den extra Schuss Würze.
Die
Welt der fahrenden Pioniere mit Hang zum Individuellen
Jaja, ich sehe eure verwirrten
Blicke bis hierher. Zeit also für ein Beispiel. Und netterweise wartet die
Anleitung von 504 auch mit einem Solchen auf und schlägt Modul 123 auch gleich
noch für eine erste Partie vor. Das Spiel beinhaltet dabei die Module Transport
(1), Wettlauf (2) und Privilegien (3), den entsprechenden Titel könnt ihr der
Kapitelüberschrift entnehmen. Wie sich bereits aus den Modulen ableiten lässt,
reist ihr dabei über den Spielplan und transportiert um die Wette Waren von A
nach B. Um das Ganze etwas abwechslungsreicher zu gestalten, kommen Privilegien
ins Spiel. Im Prinzip sind das Sonderfähigkeiten, die wir uns Runde für Runde
kaufen können, um unsere Möglichkeiten auszubauen.
Bleiben
noch 503 Module
Ist die erste Partie
bewältigt, kann man wirklich mit 504 beginnen. Das Regelbuch schlägt nun die
Welten 456 und 789 vor. Online finden sich allerdings inzwischen auch reichlich
Empfehlungen für besonders gelungene Zusammenstellungen. Ob ihr lieber
Gesellschaften führt und Aktien handelt, gegnerische Figuren vom Tisch prügelt
oder lange Produktionsketten aufbaut… für jeden Geschmack findet sich auch das
passende Modul.
Die Möglichkeiten sind
hier also zwar nicht unendlich, aber um alle Kombinationen auszuloten benötigt
ihr schon einiges an Ausdauer.
Fazit
Wenn ich Rezensionen,
Kommentare oder Besprechungen zu 504 lese, fällt fast unausweichlich irgendwann
die Aussage, wie schwer das Spiel doch zu bewerten ist. Und um ganz ehrlich zu
sein, war ich selbst auch lange dieser Meinung. Denn 504 ist ein fast schon
monumentales Werk, ein Konstrukt so fein verzahnt, dass man vor dem Autor
wirklich nur den Hut ziehen kann. Trotz all der Partien konnte ich keine
Regelwiedersprüche ausfindig machen, jede Modulzusammensetzung ließ sich
einwandfrei spielen. Diesbezüglich also tatsächlich ein großes Lob.
Aber die ist es das, was
ich von einem Spiel erwarte? Oder kommt es am Ende nicht einfach nur auf den
Spaß an, die Freude die ich bei einer Partie empfinde? Und sollte nicht genau
das ausschlaggebende für die Wertung sein? Und genau hier konnte 504 weder bei
mir noch meinen Mitspielern punkten. Das beginnt bereits mit den Vorbereitungen
einer Partie. So kann alleine der Aufbau auch mal locker mehr als eine Stunde
dauern. Da man stets nur einen Bruchteil des enthaltenen Materials benötigt
müssen eigentlich immer einzelne Karten gesucht, Marker aussortiert, andere
Marker gestapelt und Figuren verteilt werden. Und das Ganze dann im Zweifel
gleich noch mal von Vorne, da wieder eine kleine Stelle im Buch der Welten
überlesen wurde. Gleiches gilt für die Regeln. Theoretisch ist die Struktur
zwar klar und auch sinnvoll aufgebaut, praktisch gibt es aber viel zu viel zu
beachten um alles im Blick zu behalten. Und obendrein stellt sich auch nach
mehreren Partien nur ein überschaubarer Lerneffekt ein. Bezüglich des Buches
der Welten und dem Material gewinnt man zwar etwas an Routine, da aber jedes
Spiel anders aufgebaut ist bleibt der Einstieg in eine neue Partie stets
holprig.
Und selbst wenn diese
Hürde irgendwann genommen wurde, bleibt am Ende zumeist doch nur ein allenfalls
durchschnittliches Spiel. Zu mechanisch, zu seelenlos kommt das Konstrukt
schlussendlich daher. Nichts treibt einen wirklich dazu an, die Welten
erforschen zu wollen. Ein fesselndes Thema fehlt ebenso wie neue oder filigran
verzahnte Mechanismen. Ich will nicht ausschließen, dass in all dem Wust ein
Spiel existiert, das den enormen Aufwand im Vorfeld rechtfertigt. Wenn dem so
ist, habe ich es allerdings noch nicht gefunden.
sShön geschrieben, sehr nachvollziehbares Fazit. Ging mir genauso, ich war kurz fasziniert und dann habe ich 504 wieder verkauft.
AntwortenLöschenDie 504-Rezi von Rahdo Runs Through finde ich absolut gelungen (also die Final Thoughts). Er beschreibt darin, dass er bei Spielen immer nach ein oder zwei Aha-Erlebnissen pro Partie sucht. Deshalb findet er es unpassend, bei 504 nach der perfekten Kombi zu suchen, da es bei diesem Spiel ja eher darum geht, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Dann hat man jeweils ein paar gute "Lightbulb Moments", wie er es, glaube ich, nennt. Man muss keine Kombi zweimal spielen. Den Gedanken finde ich wirklich gut, ähnlich geht es mir auch, wenngleich v.a. der Kritikpunkt zu langer Aufbau negativ zu Buche schläge. Ich bekomme es leider nicht oft genug auf den Tisch, obwohl ich es sehr gerne öfter spielen würde, bin immer noch bei unter 10 Partien.
AntwortenLöschenHallo Hendrik,
AntwortenLöschenbei 504 nach der einen perfekten Kombination zu suchen halte ich ebenfalls für falsch. Theoretisch bezieht das Spiel seinen Reiz tatsächlich aus den immer wieder wechselnden Regeln. Für meinen Geschmack stehen Spielerlebnis und Aufwand da aber schlicht in keinem guten Verhältnis.
Dennoch finde ich es gut, dass es andere Spieler gibt die 504 zu schätzen wissen. Denn verdient hat es das Spiel auf jeden Fall.