Seiten

Montag, 4. April 2016

504



Eine Frage die man als Rezensent immer wieder zu hören bekommt ist, wie oft die Spiele eigentlich vor der Bewertung gespielt werden. Üblicherweise antworte ich darauf mit: „Bis ich mir meiner Wertung sicher bin“. Mit wunderbarem Politiker-Deutsch habe ich damit zwar durchaus auf die Frage geantwortet, schlauer ist mein Gegenüber jetzt allerdings auch nicht. Die perfekte Antwort also. Bis jetzt. Denn jetzt wird es langsam Zeit, eine Rezension zu 504 (Friedemann Friese / 2F-Spiele) zu schreiben. Und ganz egal wie oft ich 504 nun tatsächlich schon gespielt habe… das Gefühl, mir meiner Wertung sicher zu sein, will sich einfach nicht einstellen.

Einerseits mag das Problem mit meinem steigenden Alter, zunehmender Inkompetenz oder einfach nachlassender Geisteskraft zu tun haben. Andererseits könnte es aber auch einfach nur daran liegen, dass 504 eigentlich nicht nur ein Spiel ist. Sondern eben 504. Und was für welche.


Was ist 504?
Bevor ich hier weiter ins Detaille gehe, sollte entsprechend erst einmal eine ganz einfache Frage geklärt werden: Was ist 504 für ein Spiel? Ganz einfach…. das ich nicht lache. Denn eigentlich ist 504 mehr ein Projekt, eine Sammlung, eine Studie als ein Spiel. 504 enthält in allererster Linie viel Spielmaterial, ein Regelbuch und ein Buch der Welten. Und genau in diesem Buch der Welten finden sich insgesamt neun unterschiedliche Module (Regelkonzepte), mit denen gespielt werden kann. Stets suche ich mir vor meiner Partie genau drei davon aus und bestimme damit Aufbau, Regeln und Ablauf meiner Partie. Da es obendrein auch noch relevant ist ob ich ein Modul an erster, zweiter oder dritter Stelle wähle, ergeben sich fast unendliche Kombinationen. Fast. Denn in der Realität kommt man auf diese Weise eben auf genau 9*8*7 Möglichkeiten. Also 504. 


Die Module
So, jetzt habe ich schon mehrfach von Modulen gesprochen. Vielleicht wird es Zeit, diese genauer zu beleuchten. Aber auch das gestaltet sich gar nicht so einfach. Ich könnte jetzt schlicht sagen, dass es sich bei den Modulen um Transport, Wettlauf, Privilegien, Militär, Entdecken, Straßen, Mehrheiten, Produktion und Aktien handelt. Wirklich schlauer seid ihr dann aber leider auch nicht, denn die Regeln jedes Moduls ändern sich merklich in Abhängigkeit der gewählten Position sowie den weiteren gewählten Modulen. Dabei bestimmt das Modul an Stelle eins das Spielende und wofür es Siegpunkte gibt. Modul zwei regelt in weiten Teilen, wofür wir Einkommen erhalten. Modul drei ist im Endeffekt für alles andere verantwortlich und sorgt für den extra Schuss Würze.


Die Welt der fahrenden Pioniere mit Hang zum Individuellen
Jaja, ich sehe eure verwirrten Blicke bis hierher. Zeit also für ein Beispiel. Und netterweise wartet die Anleitung von 504 auch mit einem Solchen auf und schlägt Modul 123 auch gleich noch für eine erste Partie vor. Das Spiel beinhaltet dabei die Module Transport (1), Wettlauf (2) und Privilegien (3), den entsprechenden Titel könnt ihr der Kapitelüberschrift entnehmen. Wie sich bereits aus den Modulen ableiten lässt, reist ihr dabei über den Spielplan und transportiert um die Wette Waren von A nach B. Um das Ganze etwas abwechslungsreicher zu gestalten, kommen Privilegien ins Spiel. Im Prinzip sind das Sonderfähigkeiten, die wir uns Runde für Runde kaufen können, um unsere Möglichkeiten auszubauen. 


Bleiben noch 503 Module
Ist die erste Partie bewältigt, kann man wirklich mit 504 beginnen. Das Regelbuch schlägt nun die Welten 456 und 789 vor. Online finden sich allerdings inzwischen auch reichlich Empfehlungen für besonders gelungene Zusammenstellungen. Ob ihr lieber Gesellschaften führt und Aktien handelt, gegnerische Figuren vom Tisch prügelt oder lange Produktionsketten aufbaut… für jeden Geschmack findet sich auch das passende Modul.
Die Möglichkeiten sind hier also zwar nicht unendlich, aber um alle Kombinationen auszuloten benötigt ihr schon einiges an Ausdauer.


Fazit
Wenn ich Rezensionen, Kommentare oder Besprechungen zu 504 lese, fällt fast unausweichlich irgendwann die Aussage, wie schwer das Spiel doch zu bewerten ist. Und um ganz ehrlich zu sein, war ich selbst auch lange dieser Meinung. Denn 504 ist ein fast schon monumentales Werk, ein Konstrukt so fein verzahnt, dass man vor dem Autor wirklich nur den Hut ziehen kann. Trotz all der Partien konnte ich keine Regelwiedersprüche ausfindig machen, jede Modulzusammensetzung ließ sich einwandfrei spielen. Diesbezüglich also tatsächlich ein großes Lob.

Aber die ist es das, was ich von einem Spiel erwarte? Oder kommt es am Ende nicht einfach nur auf den Spaß an, die Freude die ich bei einer Partie empfinde? Und sollte nicht genau das ausschlaggebende für die Wertung sein? Und genau hier konnte 504 weder bei mir noch meinen Mitspielern punkten. Das beginnt bereits mit den Vorbereitungen einer Partie. So kann alleine der Aufbau auch mal locker mehr als eine Stunde dauern. Da man stets nur einen Bruchteil des enthaltenen Materials benötigt müssen eigentlich immer einzelne Karten gesucht, Marker aussortiert, andere Marker gestapelt und Figuren verteilt werden. Und das Ganze dann im Zweifel gleich noch mal von Vorne, da wieder eine kleine Stelle im Buch der Welten überlesen wurde. Gleiches gilt für die Regeln. Theoretisch ist die Struktur zwar klar und auch sinnvoll aufgebaut, praktisch gibt es aber viel zu viel zu beachten um alles im Blick zu behalten. Und obendrein stellt sich auch nach mehreren Partien nur ein überschaubarer Lerneffekt ein. Bezüglich des Buches der Welten und dem Material gewinnt man zwar etwas an Routine, da aber jedes Spiel anders aufgebaut ist bleibt der Einstieg in eine neue Partie stets holprig.

Und selbst wenn diese Hürde irgendwann genommen wurde, bleibt am Ende zumeist doch nur ein allenfalls durchschnittliches Spiel. Zu mechanisch, zu seelenlos kommt das Konstrukt schlussendlich daher. Nichts treibt einen wirklich dazu an, die Welten erforschen zu wollen. Ein fesselndes Thema fehlt ebenso wie neue oder filigran verzahnte Mechanismen. Ich will nicht ausschließen, dass in all dem Wust ein Spiel existiert, das den enormen Aufwand im Vorfeld rechtfertigt. Wenn dem so ist, habe ich es allerdings noch nicht gefunden.

Und so bleibt am Ende das etwas seltsam anmutende Fazit: 504 ist mechanisch enorm beeindruckend und ein echte Meisterleistung des Autors. Das worauf es ankommt, nämlich die simple Freude und den Spaß am Spielen, bleiben dabei aber leider auf der Strecke.

3 Kommentare:

  1. sShön geschrieben, sehr nachvollziehbares Fazit. Ging mir genauso, ich war kurz fasziniert und dann habe ich 504 wieder verkauft.

    AntwortenLöschen
  2. Die 504-Rezi von Rahdo Runs Through finde ich absolut gelungen (also die Final Thoughts). Er beschreibt darin, dass er bei Spielen immer nach ein oder zwei Aha-Erlebnissen pro Partie sucht. Deshalb findet er es unpassend, bei 504 nach der perfekten Kombi zu suchen, da es bei diesem Spiel ja eher darum geht, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Dann hat man jeweils ein paar gute "Lightbulb Moments", wie er es, glaube ich, nennt. Man muss keine Kombi zweimal spielen. Den Gedanken finde ich wirklich gut, ähnlich geht es mir auch, wenngleich v.a. der Kritikpunkt zu langer Aufbau negativ zu Buche schläge. Ich bekomme es leider nicht oft genug auf den Tisch, obwohl ich es sehr gerne öfter spielen würde, bin immer noch bei unter 10 Partien.

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Hendrik,
    bei 504 nach der einen perfekten Kombination zu suchen halte ich ebenfalls für falsch. Theoretisch bezieht das Spiel seinen Reiz tatsächlich aus den immer wieder wechselnden Regeln. Für meinen Geschmack stehen Spielerlebnis und Aufwand da aber schlicht in keinem guten Verhältnis.
    Dennoch finde ich es gut, dass es andere Spieler gibt die 504 zu schätzen wissen. Denn verdient hat es das Spiel auf jeden Fall.

    AntwortenLöschen