Das Leo Colovini in den
vergangenen Jahren ein recht agiler Spiele-Erfinder war, das dürfte einigen von
euch bereits aufgefallen sein. Wohl weniger bekannt ist dagegen, dass der
Italiener scheinbar auch eine enorme Vorliebe fürs Reisen hat. So führen viele
seiner Spiele nicht nur an fremde Orte, sondern thematisieren gleich den Weg
dorthin. Zuletzt musste sich etwa ein langhaariger Löwe mühsam an seinen Weg
zum Friseur erinnern, wie ihr HIER nachlesen könnt. Und jetzt befasst sich der Autor sogar mit der Mutter aller
Irrfahrten selbst.
Denn in Odyssey: Zorn
des Poseidon (Heidelberger Spieleverlag) spürt ihr die Wirren und die
Verunsicherung eines der größten Helden der Antike an der eigenen Haut. Oder
schlüpft direkt in die Rolle das allmächtigen Gottes der Meere.
Die
Reise beginnt
Zu Beginn einer Partie
Odyssey kann von einer Irrfahrt eigentlich noch keine Rede sein. Sowohl vor den
Seefahrern als auch vor dem Spieler, der in die Rolle des Meeresgottes
schlüpft, befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch identische Seekarten, die
allerdings durch einen Sichtschutz getrennt sind. Die Pläne unterteilen sich in
haufenweise kleine Quadrate und beinhalten einige Inseln, insgesamt vier
verschiedenfarbige Schiffe und sehr viel Wasser. Die Schiffe haben dabei fest
vorgegebene Startpunkte und (im Basisspiel) genau elf Runden Zeit die Zielinsel
in der Mitte des Plans zu erreichen.
Poseidon
wütet
Vor die glückliche
Heimkehr hat der Gott des Meeres allerdings den Sturm gesetzt. Und so spielt
der Poseidon-Spieler zu Beginn eines Zuges ein Sturmplättchen aus. Damit bewegt
er entweder ein bestimmtes oder alle Schiffe genau ein Feld in beliebige
Richtung. Während die entsprechende Bewegung auf Poseidons Seekarte korrekt
durchgeführt wird, können die übrigen Spieler an dieser Stelle nur spekulieren.
Inseln
in der Ferne
Sobald Poseidons Wut
etwas abgeklungen ist, dürfen die seefahrenden Spieler agieren. Dazu bewegen sie
nacheinander jedes Schiff genau ein Feld weit, üblicherweise (hoffentlich) in
Richtung Zielinsel. Im Anschluss gibt Poseidon Auskunft darüber, was die
Spieler sehen. Allerdings sind diese Informationen sehr verschwommen. So
erkennen wir zwar, das in der Nachbarschaft Inseln sind, aber nicht wo genau
und auch nicht welcher Art. Diese Informationen gibt es nur, wenn wir direkt
auf dem Inselfeld sind. Aussagen wie „Du siehst 2 Inseln und ein fremdes
Schiff“ sind also die Regel. Doch selbst mit solch spärlichen Informationen
lässt sich die eigene Position eingrenzen und mit diesem Wissen der Weg zum
Ziel effektiver gestalten.
Varianten
Jetzt wissen wir ja
alle, dass die Meere nicht nur aus Wasser und Inseln bestehen. Entsprechend
sind auch in Odyssey weitere Plättchen und damit Varianten enthalten, die nach
und nach ins Spiel integriert werden können. So sorgen Leuchttürme etwa für
weitere Informationen, Nebel bewirkt das genaue Gegenteil. Ein Strudel wirbelt
das Schiff umher und Seeungeheuer verhindern die Bewegung, verschaffen aber
einen extra Zug. Auch wenn dadurch für deutlich mehr Leben auf dem Plan gesorgt
wird, bleibt das Ziel doch immer gleich. Ithaka zu erreichen und Poseidon ein
Schnippchen schlagen.
Fazit
Odyssey gehört
sicherlich nicht zu den Spielen, die mit einer schönen Verpackung und
beeindruckendem Material punkten. Nicht nur die Box, auch der Inhalt sind wenig
einladend. Dennoch klang die Spielidee reizvoll, weshalb ich unbedingt einen
Blick riskieren wollte. Und theoretisch klingt das Alles auch wirklich
unterhaltsam. Die Spieler knobeln und kombinieren, sprechen sich ab, sammeln
Informationen und segeln schlussendlich gerade noch so in der Zeit (oder auch
nicht) in den Zielhafen.
Und auch praktisch kam
es bei mir durchaus zu solch spannenden und unterhaltsamen Partien. Allerdings
waren diese leider eher die Ausnahme. Denn Odyssey hat ein grundlegendes
Problem. Fast alle Partien waren bei mir (für die Seefahrer) entweder viel zu
leicht oder fast nicht zu schaffen. Das sollte ich vielleicht etwas genauer
erklären:
Auf allen verfügbaren
Spielplänen sind die Schiffe anfangs genau sechs Felder vom Ziel entfernt, für
den Weg haben sie elf Runden Zeit. Als Poseideon kann ich jeden Spieler genau
fünfmal mittels Sturm verschieben. Die Zeit für den Seefahrer ist als
genaugenommen sehr knapp. Davon ausgehend, dass Poseiden das Schiff stets
zurückbewegt, muss ich als Seefahrer in den ersten Zügen strikt auf die Insel
zuhalten. Ein Fehler und das Spiel kann für mich vorbei sein. Theoretisch kann
mich Poseiden zwar auch nach Vorne bewegen, was durchaus verwirrend ist,
praktisch sollte ich darauf aber nicht hoffen. Entsprechend ist meine Richtung
eigentlich vorgegeben, erst gegen Ende (hoffentlich nahe der Insel) wird es
etwas spannender. Da ich obendrein zumeist zumindest einen groben Plan meines
Standortes habe, ist das Spiel in dieser Basisversion schlicht langweilig.
Bleibt das Spiel mit den
Modulen. Und Strudel sowie Nebel bringen tatsächlich deutlich mehr Würze ins
Spiel. Zumindest für den Poseidonspieler. Als Beispiel sei hier der Wirbel
erwähnt, der ein Schiff um ein Feld bewegt. Ausgehend von der Rechnung oben,
darf sich der Spieler keinen Fehler erlauben, oder die Zeit bis zum Ziel reicht
nicht aus. Allerdings ist es hier schon ein Fehler, in einen Wirbel zu fahren,
von dem man anfänglich gar nicht wissen kann. Ein Feld zurückgeschoben und das
war es. Obwohl auch mit etwas mehr Zeit gespielt werden kann, ist Frust hier
trotzdem nicht auszuschließen. Und wenn dann noch Nebel und damit das Fehlen
jedweder Informationen dazu kommen, dann ist der Spaß bei den Spielern ganz
schnell Geschichte.
Odyssey kann eigentlich
fast nur dann wirklich unterhalten, wenn Poseidon mehr die Rolle eines
Moderators übernimmt und nicht versucht, das Spiel zu gewinnen. In allen
anderen Fällen waren die Seefahrer aber wenig angetan.
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