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Donnerstag, 5. Juli 2018

Illusion


Zu Wolfgang Warsch wurde inzwischen eigentlich alles gesagt. Der Wiener ist in diesem Jahr schlicht der absolute Shootingstar unter den Spieleautoren. Von seinen 4 Veröffentlichungen landeten 3 auf den Nominierungslisten zum Spiel des Jahres. The Mind bei rot, Die Quacksalber von Quedlinburg und Ganz schön Clever bei anthrazit. Das muss dem 38 Jahre alten Autor erst einmal jemand nachmachen. Was aber ist mit dem vierten Spiel, Illusion (NSV)? Auch das ist eher ungewöhnlich, bedient sich dabei aber zugleich beim modernen Klassiker Anno Domini. Leider aber, ohne dessen Qualität zu erreichen.







Farben sortieren
Der Ablauf ist schnell erklärt. Jede Runde gibt eine Karte vor, welche der Farben im Fokus steht. Eine Startkarte wird ausgelegt und schon sortieren die Spieler nach und nach neu gezogene Karten in eine Reihe. Dabei zeigen die Karten die verschiedensten Muster, stets sind aber alle 4 Farben (und weiß) vertreten. Unser Ziel muss es sein, die Farbprozente korrekt zu sortieren, was sich deutlich leichter anhört als es tatsächlich ist.



Zweifel sind erlaubt
Anstatt eine Karte anzulegen, darf im eigenen Zug auch die Korrektheit der bereits ausliegenden Reihe angezweifelt werden. Dabei gilt stets die komplette Reihe. Finde ich in dieser auch nur einen Fehler, bekomme ich sofort einen Punkt. Habe ich dagegen zu Unrecht angezweifelt, bekommt mein Vorgänger einen Punkt. Da wir bei gerade einmal drei Punkten gewinnen, ist das Ende üblicherweise sehr schnell erreicht.

Fazit
Illusion hat etwas, keine Frage. Die Karten laden bereits ohne Kenntnis der Regeln zum Spielen ein, sind hübsch und bieten viel Raum für Diskussionen. Auch nach mehreren Partien ist es überraschend, wie unterschiedlich (und teilweise auch falsch) die Wahrnehmung ist. Spot und Schadenfreude gehören dabei natürlich dazu, wenn man dann doch mal wieder komplett falsch lag. Eigentlich also ein perfektes Spiel für Zwischendurch.

Eigentlich. Denn leider wird die spannende Idee durch die Wertung komplett an die Wand gefahren. In Illusion kann man nur punkten, indem man selbst oder der nachfolgende Spieler die Auslage anzweifelt. Wenn das nicht geschieht, muss man warten, bis die Runde einmal durch ist. Was bei großen Runden üblicherweise bedeutet, dass unterwegs bereits angezweifelt wurde. Also lieber früh anzweifeln und zumindest die Chance auf Punkte haben. Das Problem: In diesem Fall kann der Voransitzende ohne eigenes Zutun gewinnen. Dennoch muss man dieses Risiko oft eingehen, da man ansonsten mit der Punktevergabe nichts zu tun hat. Dadurch bleibt die Auslage leider auch überschaubar, was den Reiz ebenfalls drückt. Während Anno Domini (das sehr viele Parallelen aufweist) hier geschickt mit Strafkarten agiert, verliert Illusion mit dem Spiel um Punkte leider jeden Reiz.

Das Material von Illusion wird sicherlich noch das eine oder andere Mal Verwendung finden, dazu ist die Grundidee viel zu unterhaltsam. Mit dieser Wertung macht das Spiel aber leider keinen Spaß.


1 Kommentar:

  1. Hallo Tim!

    Jetzt muss ich hier mal was schreiben und aus dem Nähkästchen plaudern, denn "illusion" wird natürlich durch die Wertung nicht an die Wand gefahren, im Gegenteil - es wäre vielleicht ein wenig den Fall, wenn das Spiel eine völlig andere Prämisse und eine andere Zielgruppe hätte!

    Für wen soll "illusion" primär sein? Ganz klar: für Kinder. Beziehungsweise für das Zusammenspiel mit Kindern. Wenn eine Erwachsenenrunde aus Vielspielern gerne "illussion" spielt (und die zahlreichen positiven Rezis belegen das erfreulicherweise), dann ist das natürlich umso besser.

    In meinen Testrunden, insbesondere auch in der Grundschule, wurden häufig 7-10 Karten gelegt. Auf den Trichter zu kommen, dass man ja, wenn man denn gewinnen will, anzweifeln sollte, ist eher die Sichtweise eines geübten Spielers, dem es unbedingt ums Gewinnen geht. Wobei das ohnehin nur für das Spiel zu viert und zu fünft zutrifft, zu zweit und zu dritt ist es überhaupt nicht der Fall. Und wenn es dann halt tatsächlich um Sieg oder Niederlage geht, fühlt es sich, insbesondere für Kinder, wesentlich frustrierender an, wenn man zum Schluss als der Loser mit den meisten Minuspunkten dasteht. Da ist eine positive Belohnung deutlich zu bevorzugen. Hinzu kommt: Der Voransitzende erhält nur dann einen Punkt, wenn Du eine Reihe anzweifelst, obwohl kein Fehler darin ist. Dann hat der Voransitzende doch alles richtig gemacht - und erhält den Punkt dafür verdientermaßen.

    Ich finde Anno Domini super, aber es ist ganz klar ein Spiel für Erwachsene, für eine intelektuelle Zielgruppe. Selbst da geht es mir persönlich nie ums Gewinnen, sondern einfach um den Spaß an den historischen Geschichten. Wir haben auch schon häufig Partien abgebrochen, weil durch die Strafkartenvergabe schlicht zu viele Karten auf den Händen waren und es sich ewig in die Länge gezogen hat. Eine solche Kompliziertheit hat in einem einfachen Familienspiel mit Kindern nichts zu suchen. Hätten wir eine intelektuelle Zielgruppe wie bei Anno Domini, wäre es etwas anderes.

    Ich persönlich spiele illusion gar nicht wegen des Gewinnens - ich finde es einfach interessant und immer wieder spannend, wenn die Reihe aufgedeckt wird, wie sehr sich das Auge doch täuschen kann. So wie man auch Dixit oder Teamwork oder unser Watn Dat nicht wegen der Siegpunkte spielt, sondern weil es schlicht und einfach Spaß macht. Heißt für mich bei illusion spieltechnisch: Komme ich dran und die Reihe erscheint mir korrekt, dann lege ich eine weitere Karte.
    Das Feedback der Endkunden belegt ganz klar, dass es funktioniert, Spaß macht und in der Zielgruppe bestens ankommt.

    Viele Grüße,
    Reinhard Staupe (Redaktion NSV)

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