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Mittwoch, 16. Januar 2019

Nah und Fern


Warum in die Ferne schweifen… fragte einst schon Goethe, wenn auch in leicht anderer Form. Nun, Goethe kannte wohl Nah und Fern (Ryan Laukat / Schwerkraft) noch nicht, sonst hätte er sich diese Frage sparen können. Schließlich warten hier in der Ferne häufig die spannendsten Geschichten und die lukrativsten Orte. 










Zwei Spiele in einem
Bevor wir unsere Expeditionen in die Ferne starten, gilt es dennoch zuerst einmal, das Gute in der unmittelbaren Nähe in Augenschein zu nehmen. Denn auch wenn es in Nah und Fern um das Erkunden des Umlands geht, müssen wir uns doch in der Stadt vorbereiten. Erst wenn wir uns für unsere Reise gewappnet fühlen, was deutlich schneller gehen kann als es klingt, wechseln wir auf den Abenteuerplan. Oder besser: das Abenteuerbuch. Denn das Spiel enthält verschiedene Pläne in Buchform, die unterschiedliche Geschichten erzählen. 


Die nahe Stadt
Doch zurück zum Anfang. Das Spiel in der Stadt ist im Wesentlichen ein klassisches Worker-Placement mit verschiedenen Aktionsfeldern, auch wenn man sich auf diesen duellieren kann. Hier stellen wir unter Anderem unser Team aus bis zu vier Abenteurern zusammen, die allerlei Vorteile bieten. Haben wir etwa geschicktes Personal in der Gruppe, können wir effektiver Brot backen. Selbiges tauschen wir im Anschluss gegen ein Packtier, das uns schneller über den Plan befördert. Auch Handeln ist in der Stadt möglich, ebenso wie das Sammeln von Artefakt- oder Schatzkarten. Oder wir sparen uns die Umwege und erforschen die städtische Mine wo wir, neben etwas Ertrag, auch gleich noch ein Zelt platzieren. 

Ferne Lande
Apropos Zelt. Diese werden hauptsächlich auf dem zweiten Spielplan genutzt und lösen einerseits das Spielende aus, bieten andererseits aber auch viele Punkte. Um sie zu platzieren müssen wir allerdings die sichere Stadt verlassen und die Landkarte betreten. Zu Beginn entfernen wir uns selten mehr als ein paar wenige Schritte von der Stadt, mit steigender Kompetenz der Gruppe werden die Wege aber weiter. Nach der Bewegung platzieren wir ein Zelt und bekommen dafür Gold, Rubine oder Punkte. 



Geschichten lauschen
Doch nicht nur die Aussicht auf Zelte lockt uns in die Ferne. Vielmehr sind es die Geschichten, die die größte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dazu gibt es auf dem Plan verschiedene Felder, von denen aber jeweils nur ein paar aktiv sind. Beenden wir unseren Zug auf einem solchen Feld, wird eine kurze Geschichte aus dem (sehr umfangreichen) Buch vorgelesen. Stets bekommen wir nun 2 Optionen, wie wir auf die Geschichte reagieren wollen. Je nach Gruppe und dem anfallenden Würfelwurf fällt die Beute mehr oder weniger umfangreich aus. Zugleich kann so auch unser Ruf wachsen oder Schaden nehmen, wenn wir etwa die bettelnde Frau ausrauben, anstatt ihr zu helfen. 

Das große Abenteuer
Neben dem normalen Spiel bietet Nah und Fern auch verschiedene Kampagnen-Modi, die viele Elemente erst in vollem Umfang nutzen. Insgesamt 11 Spielpläne können so bewandert werden. Dabei locken natürlich stets neue Geschichten. Je nach Art des Spiels sind diese ortspezifisch, bauen teilweise aufeinander auf oder erzählen die Geschichte des gewählten Charakters. Diese entwickeln sich zudem weiter und erlernen spezifische Fähigkeiten. Das Ziel der einzelnen Partien ist zwar stets das gleiche, dennoch gibt es viel zu entdecken.


Fazit
Nah und Fern verbindet, nicht nur in seinem Titel, zwei doch recht unterschiedliche Elemente. Zum einen ist da der nahe Stadtspielplan, ein weitestgehend klassisches und planbares Worker-Placement Spiel. Zum anderen die fernen Abenteuer, wo das Erleben von Geschichten vorherrscht und durchaus auch etwas Glück eine Rolle spielt. Das Besondere ist dabei vor allem, dass diese beiden Mechanismen so gut miteinander harmonieren. Ausrüstung, die wir in der Stadt kaufen, erleichtert uns spätere Abenteuer. Gold das wir im Umland sammeln, investieren wir in der Stadt in neue Mitstreiter. Klassischer Arbeitereinsatz und das Erleben von Abenteuern wechseln sich ab und ergeben ein ganz spezielles Spielgefühl. Insbesondere die spannenden Geschichten, gerade in der Kampagne, ziehen einen dabei ins Spiel hinein. Stets will man noch ein klein wenig mehr sehen, noch ein Abenteuer mehr erleben. Auch wenn die Geschichten immer auch eine Belohnung bedeuten, tritt diese doch zunehmend in den Hintergrund. So kommt es vor, dass man unterjochten Dorfbewohnern hilft, obwohl man eigentlich gerade keinen Ruhm gebrauchen kann. Einfach nur, weil die Geschichte dann so viel besser klingt. Zudem sorgt deren große Zahl und die Unmengen verschiedenster Karten, Pläne und Spielmodi für reichlich Abwechslung.

Natürlich sollte man Spaß an solchen Spielelementen haben. Wer für Geschichten in Spielen nichts übrig hat, der wird mit Nah und Fern nicht glücklich. Zwar kann man theoretisch auf diese verzichten und nur den Ertrag vorlesen, damit beraubt man sich aber dem besonderen Element. Auch über die Würfelproben, die gerade auf dem Abenteuerplan verstärkt vorkommen, wird mitunter geflucht. Allerdings bietet das Spiel hier Möglichkeiten schlechte Würfe zu kompensieren und Emotionen gehören für mich dazu. Das Einzige, womit ich tatsächlich etwas unglücklich war, ist das Spielende. Dieses kann mitunter etwas abrupt kommen. Im Extremfall können in einem Zug schon mal drei der 14 Zelte platziert werden, was das (fast) sofortige Spielende zur Folge hat. Zum einen werden gerade unerfahrene Spieler schnell davon überrumpelt. Zum anderen führt das immer mal wieder zu einem Wettrennen, was nicht so ganz zum Charakter des Spiels passt.

Dennoch ist Nah und Fern mit seinem Mix der Mechanismen ein besonderes Spiel, das man erlebt haben sollte.


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