Immersion: Ein Effekt der,
gerade bei der Verwendung von 3D-Brillen, das vollständige Eintauchen in eine
virtuelle Umgebung beschreibt. Während dies bei Videospielen zu den
spannendsten Trends der vergangenen Jahre gehört, gestaltet es sich bei
Brettspielen naturgemäß schwierig. Egal wie thematisch ein Spiel ist, es fühlt
sich doch stets wie ein Spiel an. Detective (Pegasus / Portal) setzt hier nun
neue Maßstäbe. Zwar ist uns auch hier stets bewusst, dass es nur ein Spiel ist.
Allerdings habe ich mich noch selten so in das Geschehen hineingezogen gefühlt
wie beim Krimi-Spiel von Ignacy Trzewiczek.
Eine
Kampagne voller Fragen
Detective ist als Kampagne
angelegt, die fünf zusammenhängende Fälle bietet. Jedem gemein ist eine
Einleitung sowie ein Stapel Karten, die voller Hinweise stecken. Anders als bei
aktuellen Rätselspielen gibt es hier aber keinen richtigen oder falschen Weg. Vielmehr
bereisen wir verschiedene Orte, lesen Hinweiskarten und entscheiden, welchen
Spuren wir folgen wollen. Jede Karte, jede Spur und jede Information muss dabei
mit Zeit oder Fertigkeitsmarkern bezahlt werden. Das Gemeine: Zeit und Marker
sind knapp, es ist unmöglich, jeder Spur zu folgen. Mitunter führen uns
bestimmte Hinweise in die Irre oder „nur“ zu Storykarten, die aktuell wenig
nutzen, uns dafür aber Hinweise für spätere Fälle bieten. Hier die richtigen
Entscheidungen zu treffen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Zudem bietet uns das
Spiel selten die Lösung auf dem Silbertablett. Vielmehr müssen wir die
gesammelten Informationen analysieren und unsere eigenen Schlüsse ziehen. Viel
näher an Polizeiarbeit dürfte bislang kaum ein Spiel gekommen sein.
Antares
Hilfreich zur Seite steht
uns dabei die Antares-Datenbank. Eine App, in der wir Informationen und Spuren
verwalten, Personen- oder Fallakten lesen und Proben abgleichen. Zudem führen
wir auch immer wieder Recherchen (etwa bei Wikipedia) durch, denn der Fall
bewegt sich entlang historischer Begebenheiten. Ein weiterer Punkt, durch den
sich das Lösen des Falls tatsächlich sehr real anfühlt. Denn wir sind nicht in
fiktiven Städten unterwegs, sondern greifen auf Google zu und forschen entlang
realer Fakten.
Den
Fall gelöst?
Ganz egal wie clever wir
vorgehen: Irgendwann geht uns die Zeit aus. Und zwar üblicherweise lange bevor
wir alle Karten gesehen haben. Nun wird es Zeit, unserem Vorgesetzten Bericht
zu erstatten. Dazu stellt uns Antares eine Reihe von Multiple-Choice Fragen.
Die benötigten Antworten müssen wir aber stets schlussfolgern, einfach nur auf
einer Karte nachlesen gibt es bei Detective (fast) nicht. Wenig überraschend
gibt es für richtige Antworten Punkte, ebenso wie für unterwegs gesammelte und
in Antares eingegebene Beweise. Egal wie die Wertung aussieht, sitzenbleiben
können wir in Detective nicht. Stets dürfen wir nach dem Abschlussbericht zum
nächsten Fall voranschreiten, um den wahren Hintergründen Stück für Stück auf
die Spur zu kommen.
Fazit
Detective ist tatsächlich
mal wieder ein Spiel, das sich von gängigen Mechanismen löst und seinen ganz eigenen
Weg geht. Selten zuvor habe ich mich von einer Geschichte so gefesselt gefühlt,
selten habe ich so mitgefiebert. Wie sich hier nach und nach eine eigene kleine
Welt vor uns entfaltet, das ist wirklich etwas Besonderes. Dabei führt einen
das Spiel recht behutsam an das Geschehen heran. Zu Beginn sind die Fakten noch
überschaubar, wir haben Zeit, das ungewohnte Spielkonzept zu verinnerlichen.
Doch mit jedem weiteren Hinweis offenbaren sich neue Verbindungen, tauchen
weitere Handlungsstränge auf und stellen sich zusätzliche Fragen. Mitunter
wirkt das zwar etwas erschlagend, schlussendlich wird aber fast alles zu einem
passenden Ende geführt. Und das müssen wir sogar noch selbst zusammenpuzzeln.
Als wir spät im Spiel durch eigene Recherche und Deduktion eine Person
wiedergefunden haben, deren Spur wir ganz zu Beginn verloren hatten, hat sich das
wirklich besonders angefühlt. Insbesondere, da uns eben keine Karten darauf
hingewiesen haben. Vielmehr mussten wir die Schlüsse allein ziehen. Und das hat
bislang noch kein Spiel geschafft.
Natürlich hat dieses
offene Spielprinzip auch seinen Preis. In diesem Fall bedeutet es einerseits,
dass die einzelnen Fälle teilweise sehr lange (potentiell mehr als 4 Stunden)
dauern. Andererseits sollte man die Fälle zügig hintereinander und mit der
stets gleichen Gruppe spielen, um keine wichtigen Details zu vergessen. Am
besten werden dazu auch noch umfangreiche Notizen angefertigt, da selbst
Kleinigkeiten später noch mal relevant werden können. Für manche Spieler fühlt
sich das mehr nach Arbeit als nach Spiel an. Auch die Vergabe der Punkte am
Ende einer Mission hat bei mir immer wieder für Kopfschütteln gesorgt. So haben
wir einen Fall verloren obwohl wir fast alles wussten, nur weil uns im falschen
Moment die Marker gefehlt haben. Einen anderen Fall haben wir gewonnen, obwohl
wir gefühlt keine Ahnung hatten, was vor sich ging.
Leider fehlt am Ende auch
eine sinnvolle Auflösung. Kann ich einen Fall nicht lösen gibt es dazu zwar ein
paar Randinformationen, große Teile bleiben mir aber für immer verschlossen.
Während der Kampagne ist das notwendig, um nicht spätere Fälle zu spoilern. Am
Ende hätte ich mir aber eine Auflösung gewünscht. Wir sind zwar siegreich aus
der Kampagne hervorgegangen, konnten aber dennoch nicht alle Fragen lösen. Dass
uns hier die Antworten schuldig geblieben werden, fühlt sich frustrierend an.
Ich will wissen, was ich verpasst habe. Insbesondere, da Detective durchaus
auch durch etwas Pech (eine schlechte Wahl der verfolgten Spuren) an die Wand
gefahren werden kann.
Unabhängig von den
genannten Problemen ist Detective dennoch eine klare Empfehlung. Einen so
packenden Kriminalfall und ein solch intensives Spielerlebnis darf man sich
eigentlich nicht entgehen lassen.
Hallo Tim,
AntwortenLöschenich liebe ja alle Arten von Rätsel- und Krimispiele. Bei Detective hatten wir letztes Jahr in Essen den Promo Fall gespielt und waren damals schon ziemlich begeistert. Es war dann aber ausverkauft und so hatte ich es irgendwie total aus den Augen verloren. Erst, als ich es auf der Nominierungsliste zum Kennerspiel sah, erinnerte ich mich wieder. Dann musste ich es aber auch sofort haben ;-) Wir sind noch mitten drin, aber ich bin echt geflashed. Ich habe noch nie ein Spiel erlebt, das sich so echt und realistisch anfühlt. Ja, natürlich ist das ganz schön harte Arbeit und es gibt zwei große Einstiegshürden: 1. der Zeitbedarf pro Fall: Wir gehören zu der Sorte, die alles genau ausdiskutiert, 4 Stunden pro Fall sind bei uns normal, aber das haben wir vorher gewusst und uns eben darauf eingelassen. 2. die gleiche Spieler Runde: für uns kein Problem, da wir für uns dieses "Projekt" als Zweier-Spiel aufgesetzt haben. Aber für andere mag es schwierig sein, in gleicher Konstellation mehrmals und zeitnah in der Kampagne voranzuschreiten. Von daher fand ich die Nominierung zum Kennerspiel 2019 mutig, wenngleich hochverdient. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich traurig bin, dass Detective es nicht geschafft hat. Immerhin ist es mit das innovativste Spiel des letzten Jahrgangs und setzt ganz neue Maßstäbe in Bezug auf ein realistisches Spielerlebnis. Bei Detective höre ich mein Krimiherz bis Hals klopfen. Ich hoffe, dass wir uns zukünftig noch auf viele tolle Krimispiele dieses Kalibers freuen dürfen!
Verspielte Grüßle,
Simone