Sonntag, 13. August 2023

Die Gilde der fahrenden Händler

Wenn wir heute mit unseren Nachbarn Kontakt aufnehmen wollen, ist das denkbar einfach. Ein Anruf, einmal schnell Klopfen oder mit der Bierbank nebst Grill und Getränken auf die Straße stellen und warten. Allerdings war das nicht immer so. War der Kontakt früher abgebrochen, musste man schon kreativ werden. Da allerdings Dampfmaschinen noch nicht erfunden und Zeppeline generell etwas anfällig waren, ruft der König im namensgleichen Spiel „Die Gilde der fahrenden Händler“ (Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert / Skellig) ins Leben. Vielmehr hat er damit allerdings nicht zu tun, die Arbeit machen wie immer wir.
 
 
 
Auf dem Plan ausbreiten
In „Die Gilde der fahrenden Händler“ breiten wir uns auf unserer persönlichen Landkarte aus, verbinden Städte und errichten Türme. Dazu legen wir Runde für Runde Holzwürfel auf benachbarte Landschaftsfelder. Welche Landschaftstypen dafür zur Verfügung stehen, das gibt eine Karte für alle Spielerinnen vor. So platzieren wir etwa Würfel auf einem Gebirgsfeld, drei Würfel in gerader Linie auf dem Wasser oder zwei auf beliebigen Grasfeldern. Manche der Felder bringen direkt Münzen (Punkte), die dicken Punkte locken aber anderswo. Verbinden wir zwei Städte, wird in einer davon ein lukrativer Handelsposten gegründet. Erreichen wir eine Ecke des Plans, bauen wir einen punkteträchtigen Turm. Und zuletzt gibt es natürlich auch Zielkarten, die insbesondere das erstmalige Erfüllen belohnen.
 

Dörfer als Abkürzung
Verdammt viel zu tun für (anfänglich) gerade mal fünf Karten. Aber genau da kommt der Clou. Denn wir spielen eben nicht nur eine Runde, sondern deren vier. Und nach jeder Runde werden die gelegten Würfel wieder abgeräumt, einzig Dörfer (die wir für vollständig besetzte Gebiete platzieren) bleiben erhalten. Und auf einmal sind all die schönen Verbindungen Geschichte, der angestrebte Turm wieder weit entfernt. Wohl dem, der nicht nur schnelle Punkte ihm Blick hatte, sondern in den Vorrunden die Dörfer geschickt platziert hat. Denn nun können wir auch von diesen Starten und uns damit einen Teil des Weges sparen.
 
Individuelle Erforschungskarten
Damit wir nicht alle den gleichen Stiefel herunterspielen, enthält „Die Gilde der fahrenden Händler“ noch einen zweiten Clou. Denn der Kartenstapel besteht nicht nur aus Standardkarten, die für alle Spieler gelten, sondern nach und nach aus bis zu drei Platzhalterkarten. Tauchen diese auf, zieht jede Spielerin zwei Erforschungskarten und behält eine davon. Diese werden nun genutzt, sobald der passende Platzhalter gezogen wird und ermöglich besonders mächtige Bewegungen. So sind plötzlich Strecken aus vier oder fünf Feldern kein Problem mehr oder das Platzieren in bestimmten Regionen wird besonders lukrativ. So sind dann auch Handelswege kein Problem mehr, Türme rücken in greifbare Nähe und es regnet Punkte. Und wem das noch nicht genügt, der kann sich an vier verschiedenen Spielplänen versuchen, alle mit eigenen kleinen Besonderheiten.
 
 
Fazit
Während die Grundidee von „Die Gilde der fahrenden Händler“ nicht unbedingt nach viel klingt, heben die neuen Ideen das Spiel schnell aus der Masse hervor. Dass ich insgesamt viermal neu starten muss, führt zu einer Vielzahl spannender Entscheidungen. Nehme ich lieber die schnellen Punkte oder breite ich mich erstmal aus? Wo platziere ich die Siedlung, um in den Folgerunden besser punkten zu können? Die Entscheidungen sind stets knifflig, aber üblicherweise auch belohnend. Niemand gehl leer aus, fast jede Aktion bringt Punkte. Noch besser ist tatsächlich die Idee, jede Spielerin andere Erforschungskarten ziehen zu lassen. Die Auswahl der Karten sind weitere kleine Höhepunkte in einem Spiel voller Höhepunkte. Am liebsten würde man stets beide Karten wählen, selten ist mal etwas nicht zu gebrauchen. Zugleich geben die Karten in gewissem Umfang auch die eigene Strategie vor und führen zu Abwechslung zwischen den Partien. Gepaart mit einem kurzweiligen und durchweg spannenden Spielverlauf ist „Die Gilde der fahrenden Händler“ trotz des recht solitären Charakters ein wirklich gutes Spiel.
 
Dennoch gibt es leider auch einige Schwächen, über die ich nicht hinwegsehen kann und will. Der nervigste Punkt sind dabei sicherlich die Punkte. Denn diese liegen in Form kleiner, einseitig bedruckter Münzen bei. Da es jede Runde mehrmals Punkte gibt, werden diese ständig aus der Mitte herausgesucht, gedreht und gewechselt. Vermutlich sollen die Punkte so vor den Mitspielerinnen geheim gehalten werden. Aber das ist so unnötig wie nervig. Eine Punkteleiste wäre hier die bessere Wahl gewesen. Das zweite Manko ist die Handhabung der Spielsteine. Denn diese müssen mehrmals im Spiel auf den Plan gelegt und wieder von dort heruntergenommen werden. Gerade gegen Ende wird der Plan immer voller und überall liegen zusätzliche Pappplättchen. Das lädt leider zu Unfällen ein. Zuletzt wurde auch redaktionell nicht ganz sauber gearbeitet. Unklarheiten in der Anleitung und offene Fragen bei einigen der Karten sind keine Seltenheit, lassen sich aber zumeist lösen. Trotz der Schwächen ist „Die Gilde der fahrenden Händler“ eine klare Empfehlung. 
 

 

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