Möglicherweise bin ich
ja doch nicht so alt wie ich mich fühle. Aber als ich den Namen My Village zum
ersten Mal hörte, kamen bei mir sofort Assoziationen zu My Free Farm und
Konsorten auf. Muss also wohl eine vereinfachte und eher simple Version von
Village sein, seines Zeichens immerhin Kennerspiel des Jahres. Und dann auch
noch mit Würfeln. War ja klar, ist immerhin gerade voll in Mode.
Und dann kam Herne
und mit Herne die erste Partie My Village (damals noch an einem Prototypen). Oh
man, lag ich mit meiner Einschätzung daneben. Das Spiel ist vieles, aber
sicherlich nicht einfach und simpel. Und eine reine Würfelumsetzung ist es
schon gar nicht.
Eigentlich
ganz einfach
Wobei. Zumindest ein
Würfelspiel ist es ja irgendwie schon. Und ganz einfach ja eigentlich auch.
Eigentlich wiederholen wir das gesamte Spiel über nur 4 einfache Schritte:
2. Jeder Spieler sucht sich reihum 2 dieser Würfel aus.
3. Mit der Würfelsumme werden entweder 1 schwarzes oder alle weißen Banner aktiviert.
4. Zurück zu Punkt 1.
OK, wer sich auch nur
rudimentär mit Informatik auskennt, der wird bemerkt haben, dass da etwas nicht
stimmen kann. Denn einmal in dieser Schleife gefangen, kommen wir so schnell
nicht mehr heraus. Es muss also doch noch etwas mehr in My Village stecken.
Also vielleicht doch nicht ganz so einfach.
Die
schwarzen Banner
Vielleicht beginnen wir
also doch besser von Vorne. Zu Beginn des Spiels liegen in der zentralen
Auslage haufenweise rechteckige Karten aus, die Kirchen, Handelskontrakte,
Felder oder ähnliches zeigen. Obendrein befinden sich auf all den Karten
schwarze Banner mit einer Zahl zwischen 2 und 12. Während das Zentrum also
reichhaltig bestückt ist, fällt das eigene Dorf noch sehr überschaubar aus und
besteht eigentlich nur aus dem Starttableau. Das wollen wir natürlich umgehend
ändern. Und genau hier kommen die schwarzen Banner ins Spiel. Denn sobald wir 2
Würfel genommen haben, dürfen wir diese dazu einsetzen, ein Gebäude mit der
passenden Zahl in die eigene Auslage zu legen.
Die
weißen Banner
Im Prinzip können wir
dieses Prozedere jede Runde aufs neue Ausführen und unser Reich damit stetig
wachsen sehen. Allerdings bringt das eher wenig, sind die Gebäude doch ohne
Aktivierung nur schmückendes Beiwerk. Und hier kommen nun die weißen Banner ins
Spiel. Anstatt eine Karte aus der Mitte zu nehmen, können wir nämlich einfach
alle weißen Banner der verwendeten Zahl in der eigenen Auslage aktivieren.
Anfänglich liegt hier noch nicht wirklich viel, nach einiger Zeit sollte sich
das aber geändert haben. Und wer hier clever gewählt hat, der kann mit einem
Würfelwurf Waren produzieren, Siegpunkte generieren und nebenbei auch gleich
noch Handel betreiben.
Die
Karten
Jetzt habe ich bereits
so viel von Karten geredet, aber noch kaum ein Wort darüber verloren was diese
eigentlich bringen. Nun, das variiert tatsächlich stark. Am einfachsten sind
wohl die Produktionskarten, die etwa Fässer, einen Pflug oder Pferde
herstellen. Diese können zum Kauf weiterer Karten verwendet oder direkt beim
Händler (noch mehr Karten) gegen Siegpunkte getauscht werden. Darüber hinaus
gibt es Felder die für ein stetes Einkommen sorgen (womit sich Würfel
manipulieren lassen), Reisekarten die Siegpunkte bieten oder Kirche und Rathaus
die uns mit netten Sonderfähigkeiten versorgen.
Der
Sensenmann
Bisher klang all das
noch recht einfach. Karte nehmen, Karte aktivieren, Siegpunkte einsammeln. Nun,
ganz so einfach ist es dann leider doch nicht. Denn fast alles in My Village
kostet (neben diversen Rohstoffen) Zeit. Und wer den Vorgänger kennt der weiß,
dass Zeit ein kostbares Gut ist. Um diese festzuhalten, bewegen wir mit fast
jeder Aktion einen Stein entlang der Zeitleiste unseres Tableaus. Nach jeder
vollen Runde segnet einer unserer (ursprünglich 5) Bürger das zeitliche. Und
das stellt uns leider vor einige Probleme. Denn wenn einer unserer Bürger
stirbt, kann der dazugehörige Aktionsbereich fortan nicht mehr benutzt werden.
Dadurch verlieren wir etwa die Möglichkeit zu Handeln, zu Reisen oder die
Sonderfähigkeit unseres Rathauses. Zumindest bis wir (mittels Würfeln) für
Nachwuchs gesorgt haben.
Obendrein bestimmt der
Sensenmann in My Village auch gleich noch das Ende des Spiels. Denn sobald eine
spielerzahlabhängige Menge an Bürgern das zeitlich gesegnet hat, endet die
Partie und der Sieger steht fest.
Fazit
Ich habe inzwischen
bereits mehrfach erwähnt, dass My Village eigentlich ein ganz einfaches Spiel
ist. Und tatsächlich sind die grundlegenden Regeln schnell verstanden. Gerade
in den ersten Partien führen die Fülle an Material und die Optionsvielfalt
dennoch schnell zu einer leichten Überforderung. Dabei gehört My Village zu der
Sorte Spiel, die eine Fokussierung auf wenige Bereiche belohnen. Sich zu breit
zu streuen ist selten lukrativ und obendrein reicht die Zeit dafür kaum aus. Dies
wird noch verstärkt von der Tatsache, dass eine Partie My Village häufig viel
schneller endet als geplant. Insbesondere wenn ein erfahrener Spieler das Ende
gezielt forciert ist die Zeit stets knapp.
Und dabei gibt es doch
so viele Strategien zu erforschen. In den ersten Partien hat sich das Reisen
als sehr beliebt herausgestellt, aber auch Produktion und Handel versprechen
viele Siegpunkte. Die richtigen Kirchen (und damit Sonderfähigkeiten)
vorausgesetzt, bietet fast jedes Vorgehen Siegpotential. Und genau das macht
auch den Reiz von My Village aus. Ist man einmal mit dem grundlegenden
Spielprinzip vertraut, gibt es dennoch einiges zu entdecken und auszuprobieren.
Auch darüber hinaus
bietet My Village einige gelungene Ideen. So ist etwa der Einsatz schwarzer
Spielsteine als universelle Marker schön gelöst (und erinnert etwas an La
Granja) und auch der Würfeleinsatz ist gelungen. Ein kleiner Glücksfaktor ist
hier nicht zu leugnen, es gibt aber ausreichend Möglichkeiten das Glück auf die
eigene Seite zu ziehen. Selbst für etwas Interaktion ist gesorgt, indem frühzeitig
sterbende Charaktere Punkte offerieren und eine Seuche auslösen, die
ungeschützte Punkte vernichtet. Spieler für die eine umfangreiche Interaktion
wichtig ist werden damit zwar kaum glücklich werden, für meinen Geschmack ist
das gewählte Maß aber durchaus ausreichend.
Zu meckern habe ich an
dieser Stelle tatsächlich recht wenig. Abseits vom etwas holprigen Einstieg und
dem zwingenden Fokus auf einzelne Elemente waren meine Mitspieler eigentlich
durchweg angetan. Ob es dabei auf Dauer mit Village mithalten kann wage ich
zwar noch zu bezweifeln, dennoch ist My Village ein rundum gelungenes Werk,
dass sich hinter seinem Vorgänger kaum verstecken muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen