Als ich mit dieser Rezension begonnen habe, zeigte das Thermometer noch Minusgrade und vor meiner Haustür musste ich noch Schnee schippen. Sehr passend also für Endless Winter (Stan Kordonskiy), dem neuen Spiel von Frosted Games. Inzwischen musste der Schnee allerdings Regen weichen, von winterlicher Stimmung keine Spur mehr. So viel zu endlos…
Viel Arbeit für wenige Arbeiter
Man kann es kaum glauben,
aber offensichtlich war Worker-Placement bereits in der Eiszeit populär. Denn
auch wenn Endless Winter eine Vielzahl von Spielmechanismen in sich vereint,
wird doch fast alles über den Einsatz vor Arbeitern geregelt. Und davon haben
wir gerade einmal drei Stück, die wir in vier Runden platzieren. Obendrein gibt
es nur vier Einsetzfelder. Klingt nach nicht viel, aber da enden die
Möglichkeiten natürlich nicht. Denn jedes Feld löst direkt mehrere Aktionen
aus, insbesondere wenn wir es zuerst nutzen. Zudem verstärken passende
Handkarten den Effekt. So wird aus einer kleinen Aktion „Weiterziehen“
plötzlich eine Völkerwanderung. Wir bauen neue Zelte, bewegen diese über den
Geländeplan und errichten am besten gleich noch eine Siedlung. Und all das mit nur
einer Aktion.
Und noch mehr zu tun
Die anderen Möglichkeiten
sind ähnlich komplex. So können wir neue Stammesmitglieder für unser Kartendeck
anwerben und Ungeliebte (punkteträchtig) beerdigen. Auch Fortschrittskarten wandern
ins Deck und versprechen mächtige Effekte in den kommenden Runden. Bleibt noch
die Jagd. Deren Aktivierung bringt, wenig überraschend, eines oder mehrere
Tiere. Diese können für Nahrung geschlachtet oder als Set bis zum Spielende für
Punkte aufgehoben werden. Stets kann jede Aktion mehrfach gewählt werden, die
erste Verwendung einer Runde verspricht aber einen dicken Bonus.
Die Sonnenfinsternis kommt
All das kostet natürlich
Ressourcen, von Arbeitskraft (Handkarten) über Nahrung bis zu Werkzeugen. Hier
kommt die Sonnenfinsternis ins Spiel, die jeweils zwischen den Runden ausgeführt
wird. Unbenutzte Handkarten, freigespielte Felder der persönlichen Auslage und
Mehrheiten auf dem Geländeplan liefern nun Einkommen. Wollen wir Karten selbst
jetzt noch nicht nutzen, stehen uns diese in der kommenden Runde zusätzlich zur
Verfügung, weshalb gerade die letzten Züge häufig eskalieren. Gleiches gilt
auch für die Wertung. Denn nach den vier Runden gibt es einige Punktequellen,
die wir teilweise ebenfalls noch im Spielverlauf freispielen oder verstärken
müssen.
Fazit
Endless Winter bietet den
Spielerinnen fast unendliche Möglichkeiten sich auszutoben. Worker-Placement, Deckbau,
Area-Control, Set-Collection… kaum ein Mechanismus, der nicht vertreten ist. Und
dabei bin ich auf Megalithen, Götzen oder die bereits enthaltenen Erweiterungen
gar nicht eingegangen. Das bietet natürlich viele Vorgehensweisen… manchmal zu
viele. Schon die Menge an Material grenzt an Überforderung, im Spiel
tatsächlich jede Regel und jede kleine Ausnahme auf dem Schirm zu haben
benötigt mehr als nur eine Einstiegsrunde. Selbst erfahrene Spielerinnen haben viel
zu überlegen, was gerade in Vollbesetzung für reichlich Leerlauf sorgt. Immer
wieder drängt sich dabei der Gedanke auf, dass ein oder zwei Elemente weniger
vielleicht für ein runderes Spiel gesorgt hätten. Zumal die einzelnen
Bestandteile mitunter sehr oberflächlich bleiben. Insbesondere der vermeintlich
wichtige Deckbau ist wenig spannend. Es gibt gerade mal fünf verschiedene Stammesmitglieder,
die obendrein alle Punkte bringen. Entsprechend bleiben elegante oder
passgenaue Decks ein Wunschtraum, vielmehr wird das Deck punkteträchtig
aufgebläht. Auch die anderen Elemente hätten teilweise etwas prägnanter
herausgearbeitet, oder alternativ einfach entfernt werden können.
Obwohl ich
mir hier und da ein etwas runderes Spiel gewünscht hätte, macht mir Endless
Winter Spaß. Ich mag es, ein Spiel zu entdecken und die vielen Elemente
erforschen zu können. In jeder Partie kann ich neue Wege einschlagen und neue
Ansätze ausprobieren. Tiere jagen, Megalithen errichten oder die Eislandschaft
bereisen… überall warten Abenteuer auf mich. Zudem sind all diese Elemente, so
unterschiedlich wie sie auch sein mögen, ordentlich miteinander verzahnt. Mit
Monolithen kann ich Arbeiterkarten ziehen, die mich bei der Jagd unterstützen,
was mir wiederum Ressourcen für… und so weiter, und so fort. Das ist natürlich
eine enorme Tüftelei, die sich aber fast immer belohnend anfühlt. Entsprechend
begebe ich mich gerne wieder in die endlose Winterlandschaft. Zu entdecken gibt
es da noch so Einiges.
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