Seit Jahrzehnten besuchen regelmäßig
Tausende von Besuchern einen See in Schottland, auf der Suche nach einem
sagenumwobenen Monster. Bergsteiger berichten von Sichtungen eines zotteligen
Ungetüms und in den Wäldern wird auf Bigfoot Jagd gemacht. Alles ohne Erfolg. Was
nicht verwundert. Denn die meisten Kryptozoologen suchen am falschen Ort.
Offensichtlich fühlt sich der Yeti in der Wüste durchaus wohl und selbst Nessi
erklimmt hin und wieder einen Berggipfel. Zeit also, dass wir uns bei Cryptid
(Hal Duncan und Ruth Veevers / Skellig Games) selbst der Suche annehmen.
Rudimentäre
Informationen
Eigentlich ist alles ganz
einfach: Auf einer Fläche von 108 Sechsecken versteckt sich ein mythologisches
Wesen. Wer dessen Aufenthaltsort zuerst findet, gewinnt das Spiel. Das Problem
an der Sache: Jeder von uns verfügt nur über ein paar rudimentäre Informationen
über den genauen Lebensraum. Denn zusammen mit dem Aufbau bekommt jeder Spieler
eine Nummer und sucht sich den passenden Eintrag in seinem persönlichen
Hinweisbuch heraus. So erfahre ich etwa, dass das gesuchte Habitat im oder am
Wasser zu finden ist. Das grenzt die Sache zwar durchaus ein, zum Raten bleiben
aber entschieden zu viele Möglichkeiten.
Das Bild wird klarer
Um der Lösung näher zu
kommen, befragen wir reihum einen Mitspieler. Dazu wird schlicht auf
ein Feld gezeigt und der Befragte muss wahrheitsgemäß antworten, ob sich das
Wesen gemäß seiner persönlichen Information auf dem Feld befinden kann. Bei
„Ja“ wird eine Scheibe gelegt, ein „Nein“ resultiert in einem Würfel. Was
einfach klingt, wird durch die Vielzahl der Möglichkeiten schnell zu
Gehirnakrobatik. Denn die Felder unterscheiden sich nicht nur durch den
Landschaftstyp. Zusätzlich gibt es Strukturen und Gehege, in deren Nähe sich
das Gesuchte Wesen aufhalten kann… oder eben auch nicht. Mit einer steigenden
Zahl an Scheiben und Würfeln lassen sich die Optionen aber zunehmend eingrenzen
und das Bild wird klarer.
Dem Ziel so nah
Um den genauen Standort zu
ermitteln, benötigen wir stets die Informationen aller Kryptozoologen am Tisch.
Denn jeder besitzt nur ein Teil des Puzzles. Ich weiß, dass das Habitat im oder
am Wasser liegt. Aber nur mit der Information meiner Konkurrenten „Das Habitat
ist in der Nähe eines Obelisken“ und „Das Habitat ist nicht in der Nähe eines
Bärengeheges“ lässt sich daraus das genaue Zielfeld ableiten. Sobald ich dieses
gefunden habe (oder zumindest der Meinung bin), gebe ich einen Tipp ab. Ein
Fehlversuch kostet mich dabei zwar nur einen Zug, üblicherweise reicht das
aber, das mir ein Konkurrent die Entdeckung vor der Nase wegschnappt. Und nur
der Erste wird mit ewigem Ruhm belohnt.
Fazit
Stellt man sich die Suche
nach unentdeckten Arten vor, drängen sich Bilder von abenteuerlichen
Exkursionen im dichten Dschungel und Tiefseeausflüge in modernen U-Booten auf.
Doch wie jeder Kryptozoologe weiß: Ein Großteil der Arbeit besteht aus
Recherche und Analyse der gesammelten Daten. Und das ist bei Cryptid nicht
anders. Denn vom abenteuerlichen Thema bemerkt man im Spiel recht wenig. Vielmehr
ist man in den ersten Partien überwiegend damit beschäftigt, die Hinweise der
Mitspieler zu analysieren und mit den gegebenen Möglichkeiten abzugleichen. Die
eigene Nase steckt in dieser Zeit häufig in der Spielhilfe, die
dankenswerterweise alle Optionen übersichtlich auflistet. Auch das eigene
Vorgehen ist anfänglich eher planlos, was zu einigen Fehlversuchen führt und
die Spielzeit ausdehnt. In solchen Fällen können tatsächlich auch mal die
Klötzchen ausgehen, eine Situation, über die sich die Spielanleitung leider
ausschweigt.
Nach einigen Runden werden
die Optionen aber immer besser überblickt, die Fragen werden zielgerichteter.
Ab diesem Moment nimmt Cryptid spürbar an Fahrt auf. Am Tisch kommt nun eine
fast greifbare Spannung auf. Überlegungen werden angestellt, Felder ins Auge
gefasst und wieder verworfen. Jeder neue Hinweis wird herbeigesehnt, die
Möglichkeiten nach und nach eingegrenzt. Kurz vor Ende schmerzt jede
ungeschickte Frage, die Mitspieler werden mit Trashtalk verunsichert und
Risiken abgewogen. Denn üblicherweise kommen die Spieler der Lösung fast
zeitgleich auf die Spur. Dann wird kurz vor Ende durchaus auch mal ein Schuss
ins Blaue abgegeben, weil man ansonsten wohl nicht mehr an die Reihe kommt.
Wenn dann nach und nach jeder Mitspieler das Feld bestätigt oder kurz vor dem
Ziel den Kopf schüttelt, dann brilliert Cryptid. Und das sogar ganz ohne einen
Blick auf Yeti, Nessi oder Bigfoot.
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