Montag, 30. August 2021

Cryptid

Seit Jahrzehnten besuchen regelmäßig Tausende von Besuchern einen See in Schottland, auf der Suche nach einem sagenumwobenen Monster. Bergsteiger berichten von Sichtungen eines zotteligen Ungetüms und in den Wäldern wird auf Bigfoot Jagd gemacht. Alles ohne Erfolg. Was nicht verwundert. Denn die meisten Kryptozoologen suchen am falschen Ort. Offensichtlich fühlt sich der Yeti in der Wüste durchaus wohl und selbst Nessi erklimmt hin und wieder einen Berggipfel. Zeit also, dass wir uns bei Cryptid (Hal Duncan und Ruth Veevers / Skellig Games) selbst der Suche annehmen.  
 
 
 
 
 
 
 
Rudimentäre Informationen
Eigentlich ist alles ganz einfach: Auf einer Fläche von 108 Sechsecken versteckt sich ein mythologisches Wesen. Wer dessen Aufenthaltsort zuerst findet, gewinnt das Spiel. Das Problem an der Sache: Jeder von uns verfügt nur über ein paar rudimentäre Informationen über den genauen Lebensraum. Denn zusammen mit dem Aufbau bekommt jeder Spieler eine Nummer und sucht sich den passenden Eintrag in seinem persönlichen Hinweisbuch heraus. So erfahre ich etwa, dass das gesuchte Habitat im oder am Wasser zu finden ist. Das grenzt die Sache zwar durchaus ein, zum Raten bleiben aber entschieden zu viele Möglichkeiten.
 
 
Das Bild wird klarer
Um der Lösung näher zu kommen, befragen wir reihum einen Mitspieler. Dazu wird schlicht auf ein Feld gezeigt und der Befragte muss wahrheitsgemäß antworten, ob sich das Wesen gemäß seiner persönlichen Information auf dem Feld befinden kann. Bei „Ja“ wird eine Scheibe gelegt, ein „Nein“ resultiert in einem Würfel. Was einfach klingt, wird durch die Vielzahl der Möglichkeiten schnell zu Gehirnakrobatik. Denn die Felder unterscheiden sich nicht nur durch den Landschaftstyp. Zusätzlich gibt es Strukturen und Gehege, in deren Nähe sich das Gesuchte Wesen aufhalten kann… oder eben auch nicht. Mit einer steigenden Zahl an Scheiben und Würfeln lassen sich die Optionen aber zunehmend eingrenzen und das Bild wird klarer.
 
Dem Ziel so nah
Um den genauen Standort zu ermitteln, benötigen wir stets die Informationen aller Kryptozoologen am Tisch. Denn jeder besitzt nur ein Teil des Puzzles. Ich weiß, dass das Habitat im oder am Wasser liegt. Aber nur mit der Information meiner Konkurrenten „Das Habitat ist in der Nähe eines Obelisken“ und „Das Habitat ist nicht in der Nähe eines Bärengeheges“ lässt sich daraus das genaue Zielfeld ableiten. Sobald ich dieses gefunden habe (oder zumindest der Meinung bin), gebe ich einen Tipp ab. Ein Fehlversuch kostet mich dabei zwar nur einen Zug, üblicherweise reicht das aber, das mir ein Konkurrent die Entdeckung vor der Nase wegschnappt. Und nur der Erste wird mit ewigem Ruhm belohnt.
 
 
Fazit
Stellt man sich die Suche nach unentdeckten Arten vor, drängen sich Bilder von abenteuerlichen Exkursionen im dichten Dschungel und Tiefseeausflüge in modernen U-Booten auf. Doch wie jeder Kryptozoologe weiß: Ein Großteil der Arbeit besteht aus Recherche und Analyse der gesammelten Daten. Und das ist bei Cryptid nicht anders. Denn vom abenteuerlichen Thema bemerkt man im Spiel recht wenig. Vielmehr ist man in den ersten Partien überwiegend damit beschäftigt, die Hinweise der Mitspieler zu analysieren und mit den gegebenen Möglichkeiten abzugleichen. Die eigene Nase steckt in dieser Zeit häufig in der Spielhilfe, die dankenswerterweise alle Optionen übersichtlich auflistet. Auch das eigene Vorgehen ist anfänglich eher planlos, was zu einigen Fehlversuchen führt und die Spielzeit ausdehnt. In solchen Fällen können tatsächlich auch mal die Klötzchen ausgehen, eine Situation, über die sich die Spielanleitung leider ausschweigt.
 
Nach einigen Runden werden die Optionen aber immer besser überblickt, die Fragen werden zielgerichteter. Ab diesem Moment nimmt Cryptid spürbar an Fahrt auf. Am Tisch kommt nun eine fast greifbare Spannung auf. Überlegungen werden angestellt, Felder ins Auge gefasst und wieder verworfen. Jeder neue Hinweis wird herbeigesehnt, die Möglichkeiten nach und nach eingegrenzt. Kurz vor Ende schmerzt jede ungeschickte Frage, die Mitspieler werden mit Trashtalk verunsichert und Risiken abgewogen. Denn üblicherweise kommen die Spieler der Lösung fast zeitgleich auf die Spur. Dann wird kurz vor Ende durchaus auch mal ein Schuss ins Blaue abgegeben, weil man ansonsten wohl nicht mehr an die Reihe kommt. Wenn dann nach und nach jeder Mitspieler das Feld bestätigt oder kurz vor dem Ziel den Kopf schüttelt, dann brilliert Cryptid. Und das sogar ganz ohne einen Blick auf Yeti, Nessi oder Bigfoot.
 

 

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