Mittwoch, 13. April 2016

Die unüblichen Verdächtigen



Heute beginne ich meinen Beitrag mal direkt mit einem Geständnis. Denn obwohl ich mich eigentlich für einen aufgeschlossenen Menschen halte, scheine ich manchmal doch nicht frei von Vorurteilen zu sein. Sobald ich das Bild eines bärtigen Rockers sehe, bin ich felsenfest der Meinung, dass dieser Herr keinen Valentinstag feiert. Oder die Dame dort mit den teuren Halsketten und den schmucken Ohrringen… die kann bestimmt absolut nicht kochen. OK, das mag mich jetzt nicht unbedingt zu einem handfesten Rassisten machen, aber eine solch „herausragende“ Menschenkenntnis ist mit Sicherheit vorteilhaft für eine Partie „Die unüblichen Verdächtigen“ (Paolo Mori / Heidelberger Spieleverlag).

Gemeinsam versuchen wir dabei, den wahren Täter unter 12 Verdächtigen ausfindig zu machen. Während einer von uns den Schuldigen mittels abstruser Hinweise eingrenzt, arbeitet der Rest gemeinsam daran alle Unschuldigen auszuschließen. 


Zu viele Verdächtige
Die Zeugen von Heute sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Da hat endlich jemand den Juwelendieb gesehen, und dann ist sein Gedächtnis am ehesten mit Wackelpudding zu vergleichen, der durch ein Küchensieb tropft. Oder wie sonst ist zu erklären, dass wir insgesamt 12 Verdächtige in Form von Porträtkarten vor uns liegen haben, die allesamt grundverschieden aussehen. Und dennoch kann unser Zeuge den wahren Täter nicht sicher identifizieren. Glücklicherweise ist er dennoch nicht gänzlich unnütz. Und so zieht der Zeuge jede Runde eine Fragekarte, liest diese laut vor und beantwortet sie mit ja oder nein. Die übrigen Spieler dürfen dann gemeinsam beraten, was sie mit Aussagen wie „Der Verdächtige hat einen Hund“ oder „Die Verdächtige hat Angst vorm Fliegen“ anfangen können.



Wir grenzen die Sache ein
Egal wie unnütz die Antwort ist, stets müssen wir Ermittler nun einen Verdächtigen entlassen. Also einfach das Porträt umgedreht und auf die Reaktion des Zeugen gewartet. Sollte es allerdings tatsächlich mal einen hilfreichen Tipp gegeben haben, können wir durchaus auch mehrere Verdächtige in einem Zug entlassen. Denn der junge und schnittige Herr dort drüben wohnt mit Sicherheit ebenso wenig bei seiner Mama wie der Rocker mit Goldkettchen hier vorne. Naja, es sei denn der Zeuge ist der Meinung, dass der junge und schnittige Herr vielleicht doch eher ein Muttersöhnchen ist und das Spiel damit vorzeitig endet.

Nur ein Täter
Sollten wir es aber tatsächlich schaffen alle 11 Unschuldigen zu entlassen, haben Zeugen und Ermittler gemeinsam gewonnen. Dabei ist es erst einmal unerheblich, wie lange wir dafür gebraucht haben. Denn die Gerechtigkeit hat gesiegt und wir einen üblen Juwelendieb dingfest gemacht. Nur wie sehr die Gerechtigkeit gesiegt hat, das gibt eine Punktewertung an. Dabei lohnt es sich, Verdächtige frühzeitig auszuschließen, je länger die Ermittlung dauert desto schlechter die Wertung. Und genau das sorgt dafür, dass wir vielleicht doch im falschen Moment eine Person zu viel umdrehen und jede Partie „Die unüblichen Verdächtigen“ aufs Neue spannend ist.
 


Fazit
OK, vielleicht habe ich damit schon etwas zu viel vorausgenommen. Aber das „Die unüblichen Verdächtigen“ sehr kurzweilig und unterhaltsam ist, war jetzt ja wohl auch kein Staatsgeheimnis mehr. Das gemeinsame Raten macht dabei ebenso viel Spaß wie die Rolle des Zeugen, einfache Regeln und unterhaltsame Porträts runden das Paket ab. Dabei brilliert das Spiel insbesondere dann, wenn die Meinung der Zeugen und der Ratenden eklatant auseinandergehen. „Wie könnt ihr der Meinung sein, dieser nette Herr wäre vorbestraft?“ oder „Warum zum Geier soll ausgerechnet die da keinen Hund haben?“. In solchen Fälle ist Stimmung am Tisch garantiert.

Zugleich stellen die eigentlich unterhaltsamen Fragekarten aber auch die einzige (kleine) Schwachstelle des Spiels dar. Denn eigentlich ist die Auswahl der Karten zwar wirklich umfangreich, zugleich ähneln sich einige davon (etwa die Fragen nach Luxusbesitz) deutlich. Glücklicherweise passiert das doch eher selten. Dennoch schränkt das gerade den langfristigen Spaß doch etwas ein. Ein weiteres kleines Manko sind die vereinzelt etwas ungeschickt formulierten Fragen wie etwa „mag keine Kinder“. Da hier mit ja oder nein geantwortet werden muss, ist ein verwirrtes Nachfragen (ähh… mag nicht keine Kinder?) fast garantiert.

Dennoch handelt es sich hier eher um Kleinigkeiten, die das Gesamtbild kaum trüben. Denn „Die unüblichen Verdächtigen“ ist ein durchweg unterhaltsames und gutes Spiel. Etwas problematischer dürfte dagegen sein, dass aktuell mit Codenames (HIER) und Mysterium (HIER) zwei herausragende Spiele mit ähnlichem Spielgefühl auf dem Markt sind. Und hinter diesen Hochkarätern bleibt Die unüblichen Verdächtigen dann doch etwas zurück,


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