Wenn wir heute mit unseren Nachbarn Kontakt
aufnehmen wollen, ist das denkbar einfach. Ein Anruf, einmal schnell Klopfen
oder mit der Bierbank nebst Grill und Getränken auf die Straße stellen und
warten. Allerdings war das nicht immer so. War der Kontakt früher abgebrochen,
musste man schon kreativ werden. Da allerdings Dampfmaschinen noch nicht
erfunden und Zeppeline generell etwas anfällig waren, ruft der König im
namensgleichen Spiel „Die Gilde der fahrenden Händler“ (Matthew Dunstan und
Brett J. Gilbert / Skellig) ins Leben. Vielmehr hat er damit allerdings nicht
zu tun, die Arbeit machen wie immer wir.
Auf dem Plan
ausbreiten
In „Die Gilde der fahrenden Händler“
breiten wir uns auf unserer persönlichen Landkarte aus, verbinden Städte und
errichten Türme. Dazu legen wir Runde für Runde Holzwürfel auf benachbarte
Landschaftsfelder. Welche Landschaftstypen dafür zur Verfügung stehen, das gibt
eine Karte für alle Spielerinnen vor. So platzieren wir etwa Würfel auf einem
Gebirgsfeld, drei Würfel in gerader Linie auf dem Wasser oder zwei auf
beliebigen Grasfeldern. Manche der Felder bringen direkt Münzen (Punkte), die
dicken Punkte locken aber anderswo. Verbinden wir zwei Städte, wird in einer
davon ein lukrativer Handelsposten gegründet. Erreichen wir eine Ecke des
Plans, bauen wir einen punkteträchtigen Turm. Und zuletzt gibt es natürlich
auch Zielkarten, die insbesondere das erstmalige Erfüllen belohnen.
Dörfer als Abkürzung
Verdammt viel zu tun für (anfänglich)
gerade mal fünf Karten. Aber genau da kommt der Clou. Denn wir spielen eben
nicht nur eine Runde, sondern deren vier. Und nach jeder Runde werden die
gelegten Würfel wieder abgeräumt, einzig Dörfer (die wir für vollständig
besetzte Gebiete platzieren) bleiben erhalten. Und auf einmal sind all die
schönen Verbindungen Geschichte, der angestrebte Turm wieder weit entfernt.
Wohl dem, der nicht nur schnelle Punkte ihm Blick hatte, sondern in den
Vorrunden die Dörfer geschickt platziert hat. Denn nun können wir auch von
diesen Starten und uns damit einen Teil des Weges sparen.
Individuelle Erforschungskarten
Damit wir nicht alle den gleichen
Stiefel herunterspielen, enthält „Die Gilde der fahrenden Händler“ noch einen
zweiten Clou. Denn der Kartenstapel besteht nicht nur aus Standardkarten, die
für alle Spieler gelten, sondern nach und nach aus bis zu drei Platzhalterkarten.
Tauchen diese auf, zieht jede Spielerin zwei Erforschungskarten und behält eine
davon. Diese werden nun genutzt, sobald der passende Platzhalter gezogen wird
und ermöglich besonders mächtige Bewegungen. So sind plötzlich Strecken aus
vier oder fünf Feldern kein Problem mehr oder das Platzieren in bestimmten Regionen
wird besonders lukrativ. So sind dann auch Handelswege kein Problem mehr, Türme
rücken in greifbare Nähe und es regnet Punkte. Und wem das noch nicht genügt,
der kann sich an vier verschiedenen Spielplänen versuchen, alle mit eigenen
kleinen Besonderheiten.
Fazit
Während die Grundidee von „Die Gilde der
fahrenden Händler“ nicht unbedingt nach viel klingt, heben die neuen Ideen das
Spiel schnell aus der Masse hervor. Dass ich insgesamt viermal neu starten
muss, führt zu einer Vielzahl spannender Entscheidungen. Nehme ich lieber die
schnellen Punkte oder breite ich mich erstmal aus? Wo platziere ich die
Siedlung, um in den Folgerunden besser punkten zu können? Die Entscheidungen
sind stets knifflig, aber üblicherweise auch belohnend. Niemand gehl leer aus,
fast jede Aktion bringt Punkte. Noch besser ist tatsächlich die Idee, jede
Spielerin andere Erforschungskarten ziehen zu lassen. Die Auswahl der Karten
sind weitere kleine Höhepunkte in einem Spiel voller Höhepunkte. Am liebsten
würde man stets beide Karten wählen, selten ist mal etwas nicht zu gebrauchen.
Zugleich geben die Karten in gewissem Umfang auch die eigene Strategie vor und
führen zu Abwechslung zwischen den Partien. Gepaart mit einem kurzweiligen und
durchweg spannenden Spielverlauf ist „Die Gilde der fahrenden Händler“ trotz
des recht solitären Charakters ein wirklich gutes Spiel.
Dennoch gibt es leider auch einige
Schwächen, über die ich nicht hinwegsehen kann und will. Der nervigste Punkt
sind dabei sicherlich die Punkte. Denn diese liegen in Form kleiner, einseitig
bedruckter Münzen bei. Da es jede Runde mehrmals Punkte gibt, werden diese
ständig aus der Mitte herausgesucht, gedreht und gewechselt. Vermutlich sollen
die Punkte so vor den Mitspielerinnen geheim gehalten werden. Aber das ist so
unnötig wie nervig. Eine Punkteleiste wäre hier die bessere Wahl gewesen. Das
zweite Manko ist die Handhabung der Spielsteine. Denn diese müssen mehrmals im
Spiel auf den Plan gelegt und wieder von dort heruntergenommen werden. Gerade
gegen Ende wird der Plan immer voller und überall liegen zusätzliche
Pappplättchen. Das lädt leider zu Unfällen ein. Zuletzt wurde auch redaktionell
nicht ganz sauber gearbeitet. Unklarheiten in der Anleitung und offene Fragen
bei einigen der Karten sind keine Seltenheit, lassen sich aber zumeist lösen. Trotz
der Schwächen ist „Die Gilde der fahrenden Händler“ eine klare Empfehlung.
Sieht schon mal sehr unterhaltsam aus;)
AntwortenLöschen