Donnerstag, 14. Juli 2022

Kurz gefasst 1.22

Obwohl es inzwischen tausende verschiedener Kartenspiele gibt, erscheinen regelmäßig neue Werke. Manche davon bereichern tatsächlich ein Genre oder definieren dessen Grenzen neu. Viele entpuppen sich als ganz netter Zeitvertreib, den man so oder so ähnlich allerdings schon zur Genüge kennt. Und zuletzt gibt es auch jene Spiele, die man am liebsten sofort wieder aus dem Gedächtnis streichen würde. Mit Code, Jekyll vs. Hyde und Velonimo werfe ich heute einen Blick auf Vertreter all dieser drei Kategorien.

 

 

 

Code (Patrick Atieh / Game Factory)

„Schaffst du es, als Erster deinen Code zu knacken…?“ verspricht die Rückseite von Code vollmundig. Und lockt damit direkt auf eine falsche Fährte. Denn wer Deduktion, Knobeleien oder auch nur einen Ansatz von Strategie erwartet, der ist hier falsch. Stattdessen will jede Spielerin 4 Zahlenkarten (und auch nur diese) auf die Hand bekommen und damit das Spiel gewinnen. Der Weg dahin ist bekannt. Im eigenen Zug dürfen wir eine Karte nachziehen, eine Sonderkarte spielen oder eine Karte abwerfen, sofern diese zum Ablagestapel passt. Und damit das ganze etwas mehr Pepp bekommt, ändern Sonderkarten die Spielreihenfolge, lassen uns Aussetzen oder direkt eine neue Codekarte ziehen, was unsere 4 Zielkarten komplett ändert.

Kurz gesagt: Wer schon immer der Meinung war, dass Uno viel zu planbar ist und durch sinnlose Sonderregeln und Karten nur noch besser wird, der kann bedenkenlos zu Code greifen. Denn der Ablauf ist im Prinzip vergleichbar, aber viel frustrierender. Runde über Runde gibt es kaum Fortschritt, da wir eben nicht nur Karten loswerden wollen, sondern auch noch Bestimmte benötigen. Zu keinem Zeitpunkt hat man dabei einen Überblick, wer gerade wo steht. 15 Minuten sinnloses Kartenziehen und Abwerfen, bis irgendjemand plötzlich den Spielsieg verkündet. Dazu mit Aussetzen und Code-Reset noch Karten die eigentlich in modernen Spielen verboten gehören sowie eine komplett irreführende Beschreibung. Finger weg.

 

Jekyll vs. Hyde (Geon Il / Nice Game)

Der immerwährende Kampf Gut gegen Böse hat es nun auch in eine kleine Schachtel geschafft. Dass es sich dabei um ein Spiel für zwei handelt, überrascht nicht. Dass es ein Stichspiel ist, schon deutlich mehr. Dabei versucht Hyde die Stiche möglichst ungleichmäßig zu verteilen. Dr. Jekyll andererseits ist bestrebt, die Kartenverteilung im Gleichgewicht zu halten. Das wäre für sich genommen schon spannend, der Einfluss wäre aber wohl recht begrenzt. Allerdings hat sich der Autor hier zwei Kniffe einfallen lassen. Erstens wird die Trumpffarbe erst im Laufe der Runde ersichtlich, indem den drei Farben Wertigkeiten in der Reihenfolge ihres Ausspielens zugeteilt werden. Zum anderen gibt es Trunkkarten. Diese erlauben die Trumpffarbe zu ändern, Karten zu tauschen oder bereits gewonnene Stiche umzuverteilen. All das bietet einiges an Möglichkeiten, um das Blatt über die drei gespielten Runden auf die eigene Seite zu wenden. 

Ein Stichspiel für genau zwei Spielerinnen ist für sich genommen schon etwas Besonderes. Jekyll vs. Hye ist obendrein aber auch noch richtig gut. Denn auch wenn Kartenglück natürlich eine Rolle spielt, bietet das Spiel doch eine Reihe von Einflussmöglichkeiten. Die Trumpffarbe im richtigen Moment zu ändern kann das Spiel auf den Kopf drehen, einen bereits gewonnenen Stich zu klauen die Wertung in die gewünschte Richtung drehen. Natürlich benötigt es ein paar Runden, um diese Möglichkeiten zu verinnerlichen. Und natürlich ist Erfahrung mit Stichspielen dabei hilfreich. Doch selbst erfahrene Spieler werden immer wieder überrascht und müssen sich auf neue Situationen einstellen. Eine wirklich gelungene Stich-Umsetzung für zwei Spieler.

 

Velonimo (Bruno Cathala / Asmodee)

Bis zu 5 Rennfahrer radeln bei Velonimo um die Wette und um das begehrte Erbsen-und-Möhren-Trikot. Eine Etappe gewinnt dabei, wer zuerst all seine Karten loswird. Also spielen wir Karten gleicher Farbe oder gleicher Zahl aus und versuchen damit, die Auslage des Gegenübers zu überbieten. Sonderkarten, die uns bei den Mitspielern wildern lassen oder das Erbsen-und-Möhren-Trikot, das dem Führenden einen kleinen Vorteil verschafft, lockern das Ganze etwas auf. Zudem steigen die erzielbaren Punkte über die 5 Etappen, was das Spiel zumeist bis zum Ende spannend hält.

Die Idee, ausliegen Karten zu überbieten und damit die eigene Hand leerzuspielen, kommt euch bekannt vor? Mir auch. Und tatsächlich bietet Velonimo nichts, was wir nicht schon von anderen Spielen kennen würden. Einzig das Erbsen-und-Möhren-Trikot ist ein halbwegs neuartiger Ansatz, macht es die ersten Runden doch trotz der niedrigen Punkteausbeute spannender. Ansonsten ist Velonimo ein absolut solides Spiel. Es funktioniert und macht durchaus auch Spaß. Aber es ist absolut nichts Besonderes.

 



1 Kommentar:

  1. "Jekyll vs. Hyde" hätte schon ein "sehr gut" verdient.
    Auf boardgamearena.com gibt es eine tolle Online-Umsetzung, mit der man das Spiel ausprobieren kann.

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