Von
der Masse abheben
Brettspielrezensionen
gibt es ja inzwischen wie Sand am Meer. Videos, Podcasts, Geschriebenes… die
Auswahl ist schier unendlich. Um sich hier etwas von der Masse abzuheben,
sollte man auffallen. Etwa indem man ein Spiel, dass fast jeder zu lieben
scheint, ordentlich zerreißt. Wenn dann ein Werk auf den Markt kommt, dass
gleich 2 Jurymitglieder über den grünen Klee loben (Martin hier und Udo hier),
ist das ja eigentlich eine Steilvorlage. Dumm nur, wenn das Spiel am Ende dann
einfach nur richtig gut ist. Dann ist man eben doch wieder nur eine Stimme
unter vielen.
Dabei ist „Auf den
Spuren von Marco Polo“ (S. Luciani und D. Tascini / Hans im Glück) eigentlich
in weiten Teilen ein Spiel wie viele andere. Würfel als Arbeiter, ein
historisches Thema mit passender Optik und Siegpunkte für fast Alles. Was hier
wirklich heraussticht sind die Details.
Würfel
Auf den ersten Blick
bietet Marco Polo tatsächlich wenig Neues. In jeder Runde würfeln die Spieler ihre
fünf Würfel, welche im Anschluss abwechselnd auf diversen Aktionsfeldern
eingesetzt werden. Diese sind hinlänglich aus vergleichbaren Spielen bekannt.
So können wir Waren, Geld und Kamele einsammeln, über den Plan reisen oder neue
Aufträge annehmen. Wie lukrativ das Feld genau ist, bestimmt dabei die
Augenzahl des Würfels. Damit sind hohe Würfelzahlen, gerade zu Beginn einer
Runde, hilfreich. Das kann sich allerdings ändern, sobald alle interessanten
Felder belegt sind. Denn bei Marco Polo dürfen Felder mehrfach verwendet
werden. Jede Benutzung nach der ersten kostet allerdings Geld, wobei auch
dessen Höhe von der Augenzahl abhängt. Benötige ich also dringend ein Kamel,
kann dieses mit einer 6 schnell teuer werden. Apropos Kamele. Werde ich mit
meinem Wurf partout nicht glücklich, kann ich die Tierchen zur Manipulation der
Würfel einsetzen oder mir direkt einen zusätzlichen kaufen. Obendrein bekommt
einen Ausgleich in Form von Geld oder Kamelen, wessen Wurf gar zu niedrig
ausfällt.
Punkte
Damit wäre zumindest
schon einmal geklärt, was wir mit unseren Würfeln anstellen können. Bleibt noch
die Frage, warum wir all die Strapazen auf uns nehmen. Und die Antwort dürfte
wenig überraschen: Siegpunkte. Einen Großteil davon sammeln wir über Aufträge.
Diese sind recht klassisch aufgebaut und liefern zumeist gegen Waren eine
gewisse Summe an Punkten und gegebenenfalls Geld. Darüber hinaus bietet der
Spielplan diverse weitere Aktionsfelder, von denen ebenfalls einige Siegpunkte
versprechen. Dazu müssen wir die entsprechenden Städte allerdings zuerst
besuchen und dort ein Handelshaus errichten. Abseits von zusätzlichen
Aktionsfeldern lassen sich auf diesem Wege auch einmalige oder permanente
Bonusausschüttungen (von Geld bis zu Waren) erhalten. Reisen wollen wir im
Übrigen auch um die anfänglich erhaltenen Aufträge zu erfüllen, nach denen wir
jeweils 2 bestimmte Städte besuchen müssen.
Variationen
Bislang erinnert Marco
Polo noch weitestgehend an andere Worker-Placement Spiele. Was das Spiel
wirklich von der Masse abhebt ist die enorme Variabilität. So werden etwa die
Stadtaktionen sowie Boni der Städte in jeder Partie zufällig aus einem großen
Fundus bestimmt. Dies sorgt für einen stets abweichenden Spielplan. Den
entscheidenden Wiederspielreiz bieten allerdings die verschiedenen Charaktere.
Von diesen bekommt jeder Spieler vorab Einen zugeteilt und damit eine besondere
Fähigkeit. Und diese haben es in sich. So bekommt ein Charakter Waren wenn ein
Mitspieler den Markt nutzt, andere suchen sich stets ihre Würfelergebnisse aus
oder können deutlich schneller reisen. Damit geben die Charaktere bereits eine
bestimmte Spielweise vor und jede davon fühlt sich deutlich anders an.
Fazit
Marco Polo ist ein durchaus
komplexes Mangelspiel, das die Spieler durchweg vor spannende Herausforderungen
stellt. Im Optimalfall sollte man bereits früh wissen, was man im Spiel
erreichen will. Damit richtet sich Marco Polo ganz klar an Strategen. Wenn mal
wieder 1 Kamel oder 2 Geld für eine Aktion fehlen, kann bei
Aus-dem-Bauch-Spielern schnell Frust aufkommen. Insbesondere, da die eigene
Planung auch durch Mitspieler oder schlechte Würfelwürfe konterkariert werden
kann. Wenn dann auch noch die Zeit knapp wird und 1 Würfel für das letzte
Handelshaus fehlt, dann kommen echte Emotionen ins Spiel.
Während dieser
permanente Druck, diese ständige Mangelverwaltung für manche Spieler vielleicht
unangenehm sind, mag ich genau diese Art von Spiel sehr gerne. Bei Marco Polo
zählt jede Entscheidung, jeder eingesetzte Würfel ist von Bedeutung. An einer
Stelle ein Kamel zu verschwenden, kann sich Runden später rächen. Gleichzeitig
gibt es immens viel zu erledigen, die Zeit dafür reicht allerdings Hinten und
Vorne nicht. Wer sich hier vom Weg abbringen lässt, der hat schon verloren.
Obendrein bieten Aufbau und Charaktere eine enorme Varianz, keine Partie
verläuft wie die andere. Stets müssen wir zu Beginn aufs Neue entscheiden,
welches Vorgehen diesmal das Richtige ist. Und ebenjenen Weg zu finden, stellt
mich noch immer vor eine Herausforderung. Dass man dabei zusätzlich auf
Fortunas Gnaden angewiesen ist, nehme ich gerne in Kauf. Insbesondere, da es
durchaus einige Optionen gibt auf Würfelpech zu reagieren.
Zum Abschluss noch ein
Wort zur Spielerzahl. Marco Polo funktioniert zu zweit ebenso gut wie zu viert,
spielt sich aber doch deutlich anders. Da es nur sehr geringfügige Anpassungen
gibt, ist die Konkurrenz um Aktionsfelder mit steigender Spielerzahl deutlich
größer. Während man zu zweit häufig nebeneinander her spielt, herrscht zu viert
ein ständiger Kampf um die besten Aktionen vor. Trotz der deutlichen
Unterschiede gefällt Marco Polo in jeder Besetzung und gehört bislang zu meinen
persönlichen Vielspieler-Highlights des Jahres.
Einen kreativen Einsatz
von Würfeln findet ihr übrigens auch bei Bora Bora (hier) und Brügge (hier –
oder gleich hier die Erweiterung).
ein richtig geiles Spiel! die Minierweiterung macht das tolle Spiel noch toller! ein MUSS in jedem guten Spieleregal!!!
AntwortenLöschen