Dienstag, 12. Februar 2019

Architekten des Westfrankenreichs


Im Jahr 850 n. Chr. wollen wir unseren König beeindrucken indem wir Lehrlinge anheuern, Ressourcen sammeln und damit Gebäude errichten. Viel beliebiger kann ein Brettspielthema eigentlich kaum sein. Dennoch habe ich mich auf Architekten des Westfrankenreichs (Schwerkraft) gefreut. Denn der Autor Shem Phillips hat bereits mit Räuber der Nordsee bewiesen, dass er ein Gefühl für Worker-Placement-Spiele mit einem besonderen Kniff hat.








Klassischer Arbeiter-Einsatz?
Auf den ersten Blick bietet Architekten des Westfrankreichs tatsächlich wenig Neues. Weite Strecken des Spiels bestehen aus klassischem Arbeiter-Einsatz. Wir nutzen also unsere Figuren um auf Aktionsfeldern Erträge zu erwirtschaften. Zumeist handelt es sich dabei um verschiedene Ressourcen, aber auch Lehrlinge mit hilfreichen Sonderfähigkeiten können wir erwerben. All dies dient dem Bau von Gebäuden oder der Kathedrale. Denn einerseits sind diese ein wesentlicher Quell für Siegpunkte, andererseits sammeln wir so weitere Boni. Bis hierhin also alles wie gewohnt.


Viel Hilft viel… und lockt Neider
Dass aber etwas nicht gänzlich mit rechten Dingen zugeht, das erkennt der erfahrene Spieler bereits an der Zahl der Arbeiter. Ganze 20 davon hat jeder Spieler zu Beginn. Der Vorteil: Mit jedem eigenen Arbeiter steigt der Ertrag des entsprechenden Aktionsfeldes. So sammeln wir urplötzlich riesige Berge an Stein oder haben eine deutliche größere Auswahl bei den Lehrlingen. Damit genau das aber nicht ausartet, gibt es ein weiteres Aktionsfeld: Den Marktplatz. Wer hier eine Figur einsetzt, der darf gegnerisches Personal gefangen nehmen und auf dem eigenen Tableau absetzen. Einerseits schwächt dies die Aktionen des Mitspielers, andererseits dürfen wir die Gefangenen in einem späteren Zug im Gefängnis abliefern und sammeln dafür sogar noch Geld ein.

Auf der anderen Seite des Gesetzes
Das Gefängnis ist dabei nicht ganz so fürchterlich wie es klingt, erfreulich ist ein Besuch aber natürlich nicht. Zum einen muss das eigene Personal über kurz der lang teuer ausgelöst werden. Zum anderen verlieren wir Punkte auf der Tugendleiste und damit am Ende Siegpunkte. Und doch gibt es sogar die Möglichkeit, sich auf die dunklere Seite des Gesetzes zu schlagen. Denn wer wenig Tugend hat, hinterzieht auch gerne mal Steuern und spart damit Kosten. Oder man Besucht den Schwarzmarkt, wo neue Waren mit wenig Aufwand zu bekommen sind. Leider kommt dies nicht ohne Quittung. Denn abgesehen von den Minuspunkten ist dem Gesetzlosen auch der lukrative Bau an der Kathedrale verwehrt. Und, da wird es wieder klassisch, am Ende zählen eben doch wieder nur die Punkte.


Fazit
Shem Phillips gelingt es mit Architekten des Westfrankereichs einmal mehr, dem klassischen Arbeitereinsatz eine neue Note zu verpassen. Zwar werden sich erfahrene Spieler sehr schnell heimisch fühlen, dennoch gibt es Einiges zu entdecken. Die Vielzahl an Gebäuden und Helfern sorgen dabei ebenso für Abwechslung wie (auf Wunsch) unterschiedliche Startbedingungen. Der besondere Kniff ist aber, ganz klar, die Gefangennahme gegnerischer Arbeiter. Anders als in vergleichbaren Werken gibt es kaum Konkurrenz um die Einsetzfelder. Die Interaktion kommt stattdessen über das Einkassieren des Personals. Das richtige Timing zu treffen ist dabei eine Herausforderung und will geübt sein. Richtig angewandt ist aber ein ordentlicher Erlös und Druck beim Mitspieler möglich. Selbst das gefangen nehmen eigener Leute kann mitunter nötig werden, um wieder an Nachschub an Arbeitern zu kommen.

Zugleich kann aber auch genau jener spannende neue Mechanismus zum Problem werden. So habe ich Runden erlebt, in denen so gut wie nie jemand gefangen genommen wurde. Das Spiel verliert dann deutlich an Reiz und geht auch viel zu schnell. In diesen Fällen bleibt ein klassisches und deutlich weniger spannendes Spiel. Andererseits ist es extrem inneffektiv, wenn zu früh gefangen genommen wird. Hier den falschen Moment zu wählen kann, wenn der Ertrag in keinem Verhältnis zum Aufwand steht, durchaus zu Frust führen. Dennoch überzeugt das Prinzip und bietet, etwas Übung vorausgesetzt, eine spannende Spielerfahrung.

 





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