Weite,
unerforschte Landschaften, schneebedeckte Hügel und romantische kleine
Städtchen wechseln sich mit beeindruckenden Ruinen und dunklen Wäldern ab. Hier
wird für jeden Reisenden etwas geboten, ob man nun neue Kulturen kennenlernen
oder lieber am Strand relaxen will. So eine Reise durch Mittelerde (Nathan I.
Hajek & Grace Holdinghaus / Asmodee) kann eigentlich jedem Touristen nur
ans Herz gelegt werden. Störend ist eigentlich nur das fehlende Internet. Denn
ohne passende App kommt man hier nicht weit.
Eine App Sie zu knechten…
„Es
ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst
die Straße, und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen,
wohin sie dich tragen.“ (J.R.R. Tolkien).
Nun,
im Falle von Reise durch Mittelerde wissen wir zumindest Eines: Ohne App
brauchen wir die Tür erst gar nicht öffnen. Denn ohne App geht hier schlicht
nichts. Die App regelt den Aufbau, sie erzählt die Geschichte und übernimmt
Spielleitung, Gegner und selbst die Verwaltung der Ausrüstung. Bevor wir also
auch nur einen Fuß nach Mittelerde setzen, greifen wir erst mal zu Handy oder
Tablett. Auf diesem Weg bekommen wir eine kurze (missionsübergreifende)
Geschichte, der Aufbau des Plans wird vorgegeben und vereinzelt sogar Entscheidungen
getroffen, die den Verlauf der Kampagne beeinflussen. Quasi also all das, was
früher ein Spielleiter erledigen musste.
Die Gemeinschaft
Haben
wir uns lange genug durch die App geklickt, liegt schlussendlich aber
tatsächlich ein Spielplan vor uns, voll mit verschiedenen Markern, Gegnern und
natürlich uns Helden. Unsere Möglichkeiten sind dementsprechend auch weitestgehend
klassisch. Mittels unserer zwei Aktionen bewegen wir uns über den Plan, greifen
Gegner an oder agieren mit verschiedenen Punkten. Unabhängig von unserer
genauen Aktion wird der Ausgang derselben stets über ein charakterspezifisches
Kartendeck ermittelt. Je nach Probe ziehen wir einige Karten und addieren deren
Erfolge. Die Karten bieten uns zudem weitere Vorteile. Jede Runde dürfen wir
eine davon vor uns auslegen um im weiteren Verlauf von deren Boni zu profitieren.
Leider sind es aber gerade die stärkeren Karten, die wir für die Proben
eigentlich im Deck lassen wollen. Eine spannende Zwickmühle.
Aus Asche wird Feuer geschlagen
Auch
in Mittelerde kommt eine Kampagne nicht ohne Charakterentwicklung aus. Und so
dürfen wir unserem Deck zwischen den Missionen Karten hinzufügen und unsere
Ausrüstung verbessern. Gerade Letztgenanntes läuft hier aber etwas anders als
gewohnt. Denn die Startausrüstung und unterwegs Gefundenes verbessert sich mit
der Zeit automatisch, indem wir uns Wissen aneignen. Während der Missionen kann
es sich also Lohnen, auch mal einen Blick auf den eigentlich unnützen Obelisken
zu werfen. Vielleicht lernen wir damit etwas über vergangene Könige und können
mit dem neuen Wissen eine bessere Waffe herstellen. Auch die Kampagne selbst entwickelt
sich stets weiter, selbst wenn wir bei einer Mission scheitern. Wobei wir uns
nicht zu viele Niederlagen erlauben sollten, wollen wir der anbrandenden
Orkhorde erfolgreich entgegengetreten.
Fazit
Die
Verwendung von Apps in Brettspielen ist sicher nicht neu und hat in den
vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Falle von „Reise durch Mittelerde“
ist die Umsetzung durchaus gelungen, zumindest ich konnte keine gröberen Fehler
oder Probleme feststellen. Und dennoch hat mich die App gestört. Mir war sie
auf meiner Reise einfach etwas zu dominant. Gefühlt habe ich während der
Partien mehr auf die App als auf das Spielbrett gestarrt. Das Brett diente
eigentlich nur noch dazu, die Position der Figuren zu regeln. Zudem mussten
viele (teilweise recht repetitive) Texte vorgelesen werden. Ich will der App
ihren Nutzen gar nicht absprechen. Dennoch war es mir persönlich etwas zu viel
des Guten.
Neben
der App fand ich insbesondere die Charakterentwicklung stellenweise
enttäuschend, die wenig Kreativität zulässt. Gerade die günstigen Karten sind
aufgrund der Misserfolge eher unattraktiv. Da hätte ich mir etwas mehr
Spielraum (etwa die Möglichkeit, das Deck aufzuräumen) gewünscht. Gleiches gilt
auch für die sonstige Variation. Während der kompletten Kampagne prügeln wir
uns im Wesentlichen mit 3 verschiedenen Gegnern, der Rest taucht nur sporadisch
auf. Da wäre sicher mehr drin gewesen.
So,
genug gejammert. Denn am Ende zählt in erster Linie der Spaß. Und den hatten
wir definitiv. Auch wenn das Herr der Ringe – Gefühl überschaubar bleibt,
konnte die Kampagne insgesamt doch überzeugen. Dass sich Entscheidungen auf den
weiteren Verlauf auswirken empfanden wir als sehr spannend, wenn zuvor befreite
Verbündete später mit in die Schlacht ziehen fühlt sich das einfach toll an.
Einige besondere Missionen sorgten zudem für Abwechslung, einmal mussten wir
sogar einen kleinen Kriminalfall lösen. Auch die verschiedenen Klassen selbst
spielen sich extrem unterschiedlich und ergänzen sich toll, das Kartendeck
sorgt für spannende Entscheidungen.
Wer
über die extreme Verwendung der App hinwegsehen kann, der bekommt hier eine
durchaus spannende Kampagne.
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