Wir Spieler sind es ja
durchaus gewohnt, neue Gebiete zu kolonisieren und uns untertan zu machen. Und
bislang verlief das, abgesehen von missbilligenden Blicken unserer Mitspieler,
zumeist ungestraft. Bislang. Denn in Spirit Island (R. Eric Reuss / Pegasus)
erleben wir nun auch einmal die andere Seite. Nun schützen wir die Insel vor
den eindringenden Invasoren. Glücklicherweise sind wir dabei alles andere als
wehrlos. Vielmehr sind wir als Naturgeister sogar sehr gut in der Lage, mit ein
paar Endringlingen fertig zu werden. Doof nur, dass es sich selten nur um ein
paar Invasoren handelt.
Die
Invasoren kommen
Zu Beginn sieht es auf
unserer Insel eigentlich noch ganz einladend aus. Die Eingeborenen haben
überall Hütten verteilt, die unliebsame Ödnis beschränkt sich auf einige wenige
Ecken und wir können noch ganz entspannt der Dinge harren. Einzig die
Invasoren, die bereits an mehreren Stellen aufgetaucht sind, trüben das
idyllische Bild etwas. Und das ist erst der Anfang. Denn Runde für Runde
breiten sich diese weiter aus indem sie Städte errichten und neue Kolonisten
anlanden lassen. Zu viele Invasoren führen schnell zur Niederlage, veröden sie
doch die Gegend, vernichten die Eingeborenen und schaden selbst uns Göttern. All
das wird mittels gezogener Gebietskarten gesteuert und ist somit zumindest halbwegs
planbar.
Die
Geister erheben sich
Glücklicherweise sind wir
alles andere als wehrlos, auch wenn unsere Möglichkeiten zu Beginn noch
begrenzt sind. So startet jeder Geist stets mit 4 Karten und einigen Fähigkeiten.
Diese aufeinander abzustimmen ist die Quintessenz von Spirit Island. Dazu
entscheiden wir zu Beginn jeder Runde gleichzeitig, was wir zu tun gedenken. Gegner
angreifen, Dörfer schützen oder doch lieber eine unterstützende Rolle
einnehmen. Stets sollten dabei die Mitspieler in die Entscheidungen
miteinbezogen werden, hat doch jeder Geist seine Vor- und Nachteile. Manch
einer macht besonders viel Schaden, andere gar keinen. Manche heilen das Land,
andere verbreiten Furcht unter den Invasoren. Es gilt: Nur zusammen ist man
stark.
Kampf
mit den Karten
Allen Geistern gemein ist
allerdings, dass die meisten Aktionen über die Karten laufen. Davon dürfen wir
jede Runde nur eine begrenzte Anzahl spielen und auch nur, wenn wir sie uns
leisten können. Im Laufe des Spiels erwerben wir immer mehr Karten, was unsere
Möglichkeiten stetig vergrößert. Allerdings sollte bei den Karten nicht nur auf
deren Effekt geachtet werden. Vielmehr kommt den Energiesymbolen nicht weniger
Bedeutung zu. Wählen wir diese richtig werden unsere Effekte und sogar die
Karten selbst immer mächtiger. Zudem werden manche Karten vor den Invasoren und
manche danach ausgelöst.
Furcht
ist unser Freund
Bekommen wir anfänglich
die anbrandenden Wellen aus Invasoren kaum in den Griff, können wir später
ganze Naturkatastrophen heraufbeschwören. Und das ist auch gut so. Denn um zu
gewinnen, müssen wir große Teile der Invasoren vom Plan tilgen. Zu Beginn
bedeutet das, den Plan zu räumen. Je mehr Furcht wir generieren, desto näher
rückt aber auch der Sieg. Theoretisch können wir die Gegner sogar so in Angst
versetzen, dass sie einfach Alle das Weite suchen. Wenn das gelingt sollte
allerdings der Schwierigkeitsgrad angehoben werden. Dazu enthält das Spiel
verschiedene Nationen sowie Szenarien, die uns stets vor neue Herausforderungen
stellen.
Fazit
Spirit Island ist
zweifelsfrei ein echtes Expertenspiel. Das Beginnt schon bei der Anleitung, die
zwar alle Fragen klärt, deren Umfang und Detailfülle aber schnell erschlägt.
Gerade in den ersten Partien muss ständig etwas nachgeschlagen werden, kaum
jemand wird die ersten Runden ohne Spielfehler überstehen. Das geht weiter mit
all den Optionen und Möglichkeiten, die zu erfassen viel Zeit benötigt.
Dankenswerterweise wurden die Geister nach Komplexität sortiert, für die
leichten gibt es sogar eine Vorauswahl an nachzuziehenden Karten. Das
erleichtert den Einstig zumindest etwas. Auch die optische Trennung der
Einheiten (Invasoren aus Plastik, Eingeborene aus Holz) ist ein schöner Kniff,
der das Verständnis erleichtert. Dennoch: Wer auf einen schnellen Einstig und
unkomplizierte Regeln wert legt, der könnte hier viel falscher nicht sein.
Auch der Spielverlauf
selbst ist, gerade zu Beginn, alles andere als leicht. Bereits mit dem eigenen
Geist hat man alle Hände voll zu tun. Grundverschiedene Fähigkeiten wollen
ebenso gemanagt werden wie die unterschiedlichen Karten. Selbst das Nachziehen
neuer Karten ist eine Herausforderung. Schnell kann man hier voreilig zu einer
starken Karte greifen, die am Ende aber durch falsche Elemente oder sonstige
Einschränkungen fast nutzlos ist. Und selbst wenn man den eigenen Geist
gemeistert hat: Ohne Absprache mit den Mitspielern kommt man dennoch nicht
weit. Schlussendlich ist genau das auch einer der wesentlichen Punkte. Man muss
solche Diskussionen und Absprachen mögen. Gemeinsam zu beraten und den besten
Weg zu finden macht den größten Teil der Spielzeit von Spirit Island aus. Und
diese ist mit bis zu 3 Stunden durchaus ordentlich. Wer das nicht mag ist hier
ebenfalls falsch.
So, genug der Kritik. Wenn
ihr immer noch hier seid, dann seid ihr offensichtlich richtig. Denn wer sich
vom Regelumfang und den ausufernden Planungen und Absprachen nicht abschrecken
lässt, der bekommt mit Spirit Island ein herausragendes Spiel. Die
Möglichkeiten das Spiel auszuloten, den eigenen Geist nach und nach zu
entwickeln und die anfänglich übermächtigen Invasoren am Ende doch von der Insel
zu jagen, fesseln wie nur wenige andere Spiele. Auch das kooperative Spiel beeindruckt.
Herauszufinden welche Geister harmonieren, wie man sich gegenseitig unterstützt
und die eigenen Stärken voll ausspielt motiviert einfach ungemein. Einen
Alphaspieler, wie in vielen kooperativen Spielen zu finden, kann es hier
alleine schon aufgrund der Komplexität nicht geben. Wenn sich nicht jeder voll
einbringt ist die Mission zum Scheitern verurteilt. Zudem bieten all die
Geister, Karten und insbesondere Nationen und Szenarien eine Fülle von
Optionen, die auch langfristig Abwechslung versprechen. Wenn ihr epische Spiele
mögt seid ihr hier richtig.
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