Dienstag, 28. Mai 2013

Die Paläste von Carrara


Aufbauhilfe für ItalienDie 6 nominierten zum (Kenner-)Spiel des Jahres sind inzwischen veröffentlicht und das Interesse an den benannten Titeln entsprechend groß. Auch auf Spielfreu(n)de standen zuletzt die Artikel zu Augustus, Qwixx und Andor im Vordergrund. Was liegt also näher als auf die Wünsche meiner Leser einzugehen und hiermit eine Review zum letzten der 6 Spiele zu liefern, welches ich bislang noch nicht vorgestellt habe: Die Paläste von Carrara

In Carrara (Kramer und Kiesling / Hans im Glück) streiten 2 bis 4 Familienoberhäupter um Gunst und Ansehen des Königs. Anders als heute waren die Monarchen damals allerdings nicht mit schicken Hüten oder pompösen Hochzeitsfeiern zu beeindrucken. Nein, ganze Gebäude und Stadtviertel galt es vielmehr zu errichten. Und da Carrara für seine umfangreiche Marmorproduktion bekannt ist, kommt selbstverständlich auch kein anderer Baustoff in Frage. An dieser Stelle endet die thematische Einbindung allerdings auch schon, mehr zur Geschichte liefern uns auch die Regeln nicht. Entsprechend schlicht auch die Siegbedingungen, gewinnt doch ganz klassisch der Spieler mit den meisten Siegpunkten.


 

Schwarzer Marmor vom Trödel 
Spiel und Spielfeld werden bei Carrara maßgeblich von einem großen Ertragsrad dominiert, welches uns mit einem steten Fluss von Marmor versorgt. Ansonsten enthält der Spielplan, neben der obligatorischen Siegpunktleiste, sechs zu bebauende Städte sowie eine Auslage aus neun zu errichtenden Gebäuden. Bereits dieser Aufbau wirkt sattsam bekannt und deutet die Möglichkeiten der Spieler schon auf den ersten Blick an. Entsprechend überrascht es nicht, dass wir uns jede Runde für eine von drei möglichen Spieleraktionen entscheiden müssen. Zur Wahl stehen dabei der Erwerb von Marmor, der Bau eines Gebäudes sowie eine Wertung. Beginnen wir an dieser Stelle mit dem Rohstofferwerb. Marmor in insgesamt 6 verschieden Qualitäts- (und Preis-) stufen steht dem solventen Käufer zur Verfügung. Deren Preis ist abhängig von der Position auf dem Ertragsrad und sinkt von Runde zu Runde indem das Rad vor einem Kauf weitergedreht wird. Mit der zweiten der Möglichen Aktionen verwenden wir den Marmor um in einer der Städte ein Gebäude zu errichten. Je nach Stadt benötigen wir dafür Marmor einer gewissen Mindestqualität. Sind etwa die Bürger aus Lérici dabei wenig wählerisch, akzeptieren die versnobten Livorner nur den teuersten, weißen Marmor.

Livorno für 21 Punkte
Als letzte der möglichen Aktionen steht uns die Wertung zur Verfügung. Dabei dürfen wir uns entscheiden entweder einen Gebäudetyp oder eine der 6 Städte zu werten. Je nach Bauplatz (sprich: Stadt) und Gebäudetyp winken dabei Belohnungen in Form von Geld, Siegpunkten sowie Holzobjekte welche für die Endwertung relevant sind. Das besondere bei Carrara: Jede Stadt darf nur ein einziges Mal gewertet werden. Bin ich zu gierig und baue zu viele Gebäude um alle auf einen Schlag zu werten, schnappt mir der Mitspieler die Wertung mit wenigen Gebäuden ganz schnell vor der Nase weg.
Sobald ein Spieler 4 Wertungen durchgeführt, sowie eine bestimmte Menge Objekte gesammelt und Gebäude gebaut hat, kann er das Spielende ansagen. Nachdem die finalen Siepunkte für Geld, Objekte und Gebäude berechnet wurden, steht der Spielsieger fest.

 
Mechanisch einwandfrei
Wer obigen Text gelesen hat, dem dürften bereits viele Ähnlichkeiten zu anderen Spielen aufgefallen sein. Carrara wirkt vom ersten Moment an vertraut, fast alles kennen erfahrene Spieler zur Genüge. Eine Ausnahme stellt das Spielende dar, welches durchaus überraschend schnell kommen kann. Die typische, lange Anlaufphase mit dicken Punkten am Spielende kann bei Carrara gegebenenfalls fast vollständig entfallen. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass strategische oder taktische Elemente gänzlich fehlen. Die Entscheidung in welcher Stadt welches Gebäude gebaut, welcher Marmor gekauft oder wo gewertet werden soll sorgt durchaus für Spannung. Mir fehlt in dieser Version allerdings etwas das neue, das fesselnde Element. Das Spiel funktioniert mechanisch Einwandfrei, fühlt sich allerdings häufig trocken an.

„Erst lesen nachdem…“
Unmittelbar nach dem ersten Öffnen der Packung fällt einem bei Carrara ein Umschlag mit der Aufschrift „Erst öffnen, nachdem ihr mindestens zwei Partien des Grundspiels gespielt habt“ in die Hände. Als artiger und wohlerzogener Spieler hatte das bei mir zur Folge, dass dieser Umschlag offen war, lange bevor ich auch nur die Regeln gelesen hatte. Nichtsdestotrotz wurde die erste Partie Carrara als Grundspiel (wie oben beschrieben) gespielt und die Erweiterung erst später integriert. Wer sich also die Überraschung ob des Inhaltes nicht verderben will, der sollte hier aufhören zu lesen. Ich warte. Letzte Chance. Na gut, selbst schuld:
Neben einem weiteren Regelheft findet sich im Umschlag auch zusätzliches Spielmaterial. Darunter zusätzliche, sehr teure Gebäude die beim Bau die Belohnungen der Städte bei einer Wertung verbessern sowie Zielkarten von denen zu Spielbeginn 4 zufällig ausgewählt werden. Dadurch ändern sich sowohl die Bedingungen zum Ansagen des Spielendes, sowie die erhältlichen Bonuspunkte.
Was bedeutet all dies für das Spielgefühl? Zum einen wird das Spiel deutlich variabler und komplexer. Die zufällig gezogenen Punktekarten sorgen dafür, dass die Strategien angepasst werden müssen und der Spielverlauf variiert. Gleichzeitig liefern die teuren Gebäude einen zusätzlichen Reiz. Schafft man es, eine solche Stadt zu werten, sind viele Punkte gewiss. Das Risiko, dass die Mitspieler einem zuvor kommen, ist aber nicht zu unterschätzen. Insgesamt liefert das Spiel in der Komplettversion deutlich mehr Spielreiz für erfahrene Spieler und ist vor allem in dieser Form durchaus als Kennerspiel zu empfehlen. Grundlegend neue Ideen sucht man zwar auch in dieser Version vergebens, das Bekannte funktioniert allerdings reibungslos.

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