Bankraub - (K)ein Kinderspiel?
Wir Spieler sind ja ein ganz
schön gewalttätiges Völkchen. Wir erobern Landstriche oder gleich ganze Welten,
zerstören Städte und verspeisen genüsslich deren Einwohner oder metzeln uns
durch ganze Horden von Untoten / Aliens / Monstern. Aber auch wir haben
Grenzen. Einen echten und voll realistischen Bankraub simulieren? Nein,
irgendwo hört der Spaß auf. Ähnliches muss sich wohl auch Ravensburger gedacht
haben und sorgt für unser aller Seelenfrieden indem bei „Der Millionen Coup“ (Matthias
Cramer) nicht etwa eine Bank leergeräumt, sondern vielmehr deren
Sicherheitsvorkehrungen geprüft werden.
Zwei bis vier Spieler
und ein tiptoi-Stift knacken dafür
Schlösser, legen Alarmanlage lahm und umgehen den Wächter um am Ende den Tresor
zu knacken und das darin befindliche Gold kurz zu beschnuppern. Der
Bankdirektor wird uns sicher eine ordentliche Prämie für das aufdecken seiner
laschen Sicherheitsvorkehrungen zahlen.
tiptoi
Der Millionen Coup ist
ein tiptoi-Spiel und benötigt als solches den (nicht beiliegenden) Stift. Dieser
übernimmt im vorliegenden Fall einerseits einige organisatorische Aufgaben,
erklärt darüber hinaus aber auch die Regeln. Als vorherrschende Aufgabe misst der
Stift aber die Zeit die für verschiedenste Aktionen benötigt werden. Dabei kann
es sich einerseits um die Bewegung des Wächters, andererseits aber auch um
unsere Aktionen handeln. Bewegen wir uns etwa in einen neuen Raum, zeigen wir
dies dem Stift mit klicken auf den aktiven Charakter, das Symbol für laufen und
den Zielraum an. Haben wir das Ziel erreicht, macht uns der Stift darauf
aufmerksam und wir können eine neue Aktion starten. So bewegen sich alle
Spieler in Echtzeit durch die Bank und können gleichzeitig an verschiedenen
Punkten agieren.
Phase
1: Lernen und Ausspähen
Vor den Einbruch hat
Ravensburger allerdings in diesem Falle die Lern- und Spähphase gestellt. In
dieser lernen die Charaktere Fähigkeiten die sie für den Einbruch als nützlich
erachten. Klettern und Schleichen sind dabei ebenso vertreten wie das Knacken des
Tresors oder das Ausschalten von Alarmanlagen. Neben dem Lernen sammeln die
Spieler wichtige Informationen über das Alarmsystem der Bank. Diese Reichen von
den Positionen der Schlösser über die Route des Wächters bis hin zu den Schaltkonsolen
der Alarmanlagen. Wie schon das Erlernen kostet auch das Ausspähen der Bank Zeit.
Und Zeit ist bei unserem Einbruch knapp und streng geregelt. Jede Minute die
wir in der Vorbereitung verbrauchen fehlt uns später für den eigentlichen Coup.
Diesen können wir, sobald wir uns ausreichend vorbereitet fühlen, jederzeit
beginnen.
Phase
2: Schleichen und Knacken
Nun beginnt das
eigentliche Spiel. Alle Spieler starten (zumeist) vor der Bank und wenden nun
ihre frisch erlernten Fähigkeiten an. Während Spieler 1 etwa das Schloss knackt
rennt Spieler 2 auf die Damentoilette um die dort positionierte Alarmanlage
(ja, ernsthaft) zu deaktivieren. Gleichzeitig schleicht sich Spieler 3 am
patrouillierenden Wächter vorbei, muss dann aber mit dem Einsammeln des
Hinweises warten bis Spieler 2 den Alarm deaktiviert hat. Spieler 4 hat das Spiel derweil (aufgrund
einer in jedem Spiel zufälligen Plan-Karte) auf dem Dach begonnen und klettert
nun durchs Fenster um einem Hinweis bezüglich des Tresor-Codes nachzugehen. All
dies geschieht in Echtzeit und unter Zeitdruck, Pannen, Panik und Paranoia sind
vorprogrammiert. Umso erfreulicher allerdings wenn alle Spieler innerhalb des
Zeitlimits den Tresor erreichen. Denn nur dann ist das Spiel gewonnen.
Fazit
Bislang gehörte tiptoi für
mich ganz klar in den Bereich der Kinderspiele und Bücher. Entsprechend groß
waren die Vorbehalte es hier wirklich mit einem Spiel für Erwachsene zu tun zu
haben. Der orangene Stift, die kurzen Spielregeln und die ständigen Erklärungen
des Sprechers haben im ersten Moment wenig dazu beigetragen, diese
Grundeinstellung zu überdenken. Bis zur ersten Partie. Und diese begann bereits
sehr fesselnd: In Phase 1 wurde die Bank analysiert und das gemeinsame Vorgehen
geplant, in Phase 2 direkt dem Wächter in die Arme gelaufen. Hmmm… das muss
doch besser gehen. Also gleich noch mal ran… und diesmal mit Erfolg. In Der
Millionen Coup muss man sich zuerst etwas hineindenken, die Abläufe müssen klar
werden. Dann aber macht ein Bankraub (selbst ein simulierter) richtig viel
Spaß. Fast die ganze Mission über ist der Adrenalinpegel hoch, auch wer gerade
Wartezeit hat fiebert bei den Mitspielern oder beschwert sich über deren lahmes
vorgehen. Von Kinderspiel keine Spur mehr. Vielmehr ein sehr gelungenes,
kooperatives Spiel mit schnellem Einstieg und unverbrauchten Ideen.
Leider kommt aber auch
der Millionen Coup nicht ohne kleine Kritikpunkte aus. So unterscheiden sich
die 3 Schwierigkeitsgrade ausschließlich in der verfügbaren Zeit, eine
Anpassung an die Spielerzahl gibt es nicht. Entsprechend ist das Spiel zu zweit
ungleich schwerer, zu viert sehr leicht. Darüber hinaus kann Phase 1 nach
einiger Zeit zur Routine verkommen, im Prinzip lernt man (mit kleinen
Variationen) doch immer die gleichen Fähigkeiten. Hier wäre eine Art Schnellstartfunktion
nützlich gewesen.
Trotzdem freue ich mich
bereits jetzt auf die nächsten „Erwachsenenspiele“ der tiptoi-Familie. Der
Millionen Coup hat bereits eindrucksvoll gezeigt, was mit der Technik möglich
ist.
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