Legacy-Spiele sind etwas
Großartiges. Wie in einem Buch oder in einem Film ermöglichen sie, eine
fortlaufende Geschichte zu erleben. Wir beginnen nicht mehr jede Partie bei
Null, vielmehr wirken sich unsere Entscheidungen, unsere Erfolge und Misserfolge
auch auf die kommende Partien aus. Plötzlich fiebern wir viel stärker mit und
entwickeln regelrecht Bindungen zu unseren Protagonisten, unseren Königreichen
oder Handlangern. Schade eigentlich, dass diese Emotionen bislang im Wesentlichen
den erfahreneren Spielern vorbehalten wurden. Bis jetzt. Denn mit My City
(Reiner Knizia) veröffentlichte Kosmos nun ein Legacy-Spiel, an dem auch
weniger erfahrene Spieler ihren Spaß haben.
Der erste Stein ist der
einfachste
Wie es sich für ein
Legacy-Spiel gehört, beginnt alles noch vergleichbar simpel. Jeder Spieler
bekommt einen leeren Spielplan, der im Laufe der Partie eine Stadt beherbergen
soll. Obwohl, so leer sind die Pläne eigentlich gar nicht. Vielmehr können wir
direkt ein paar Bäume und Felsen sowie einen Fluss entdecken. Und ein Raster
aus Vierecken. Ganz viele Vierecke. Genau dieses Raster wollen wir nun mit
unseren Tetris-artigen Gebäuden bebauen. Dazu wird Runde für Runde eine Karte
aufgedeckt, die eines der Gebäude zeigt. Das legen wir nun alle in die Stadt.
Zuerst an den Fluss, später benachbart zu eigenen Bauwerken. So viel mehr
Vorgaben gibt es eigentlich gar nicht. Wer ordentlich Punkten will, der sollte allerdings
möglichst viel Grünfläche und Felsen abdecken, Bäume sollten dagegen zu sehen sein.
Umschläge über
Umschläge
In der Grundversion ist
der Ablauf von My City denkbar einfach und dient eher als simpler Einstieg. Mehr
muss er aber auch gar nicht. Denn dem Spiel liegen insgesamt 8 Umschläge bei,
gefüllt mit neuem Material und Regeln für 24 Partien. Nach jeder Partie kommen
neue Elemente ins Spiel, so gleicht tatsächlich keine Runde der Anderen.
Plötzlich tauchen Brunnen auf dem Plan auf, neue Gebäude wollen gebaut und Sticker
in unser Reich geklebt werden. Die Entdeckungen gehen entsprechend nicht so
schnell aus. Und wer doch irgendwann durch ist, der hat die Möglichkeit zum
Endlosspiel zu greifen, dessen Schwierigkeitsgrad in etwa dem Mittelteil der
Kampagne entspricht.
Strafe für den Sieger
Wer die einzelnen Partien
gewinnt, das ist recht offensichtlich: Derjenige, der die meisten Siegpunkte
sammelt. Allerdings wird bei My City auch ein Kampagnensieger gekürt. Nach
jeder Partie werden Punkte für die Platzierung vergeben. Doch auch wer hier
verliert, muss keinesfalls traurig sein. Denn in fast allen Runden bekommen die
Verlierer einen kleinen Bonus, etwa zusätzliche Bäume für ihren Spielplan. Der
Gewinner muss dagegen häufig mit einem kleinen Nachteil für die kommenden
Runden leben. So bleibt das Spiel zumeist lange spannend und kleinere
Stärkeunterschiede der Spieler werden teilweise ausgeglichen.
Fazit
Die erste Partie von My
City führt bei erfahrenen Spielern zumeist zu Schulterzucken. Ein nettes Spiel,
das man so oder so ähnlich schon mehrfach gesehen hat. Und genau so ist das wohl
auch gedacht. Denn der Einstieg ist wirklich einfach und selbst für unerfahrene
Spieler locker zu stemmen. Das Spannende, das Interessante kommt mit den
Umschlägen. Durch die neuen Elemente wird My City von Partie zu Partie fordernder und fesselnder. Die Komplexität steigt überwiegend in einem angenehmen Tempo,
gleichzeitig gibt es aber immer etwas Neues zu entdecken und neue
Vorgehensweisen auszuprobieren. Der Drang, stets „nur noch eine weitere Partie“
zu spielen oder einen weiteren Umschlag zu öffnen ist enorm und führt dazu,
dass die 24 Partien überraschend flott durchgespielt sind.
Nach dem Ende der Kampagne
bleibt das Endlosspiel, was leider nicht wirklich überzeugen kann. Wenn man
zuvor all die neuen Elemente gesehen hat, bietet das tatsächlich zu wenig. Doch
auch die Kampagne selbst hat schon kleinere Schwächen. Gerade die finalen
Partien waren mir etwas zu komplex und passen nicht so recht zum zuvor lockeren
Spiel. Entsprechend ging hier auch die Punkteschere sehr weit auseinander, der
Aufholmechanismus hat nicht mehr ausgereicht. Zuletzt hätte ich mir
etwas mehr Rahmenhandlung gewünscht. Gerade Legacy-Spiele bieten viele
Möglichkeiten für eine spannende Geschichte, die hier allerdings ungenutzt
bleiben.
Bei My City ist nicht
alles perfekt. Dennoch bietet es für 24 Partien sehr gute Unterhaltung und
einen klasse Einstieg in die Welt der Legacy-Spiele.
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