Mittwoch, 3. April 2013

Suburbia


"Können wir das schaffen?" "Yo, wir..."

Stuttgart, Hamburg, Berlin. Die Liste deutscher Städte, deren Bauunternehmen nur noch mit Fehlplanungen und Mängeln in der Presse auftauchen, ist lang und hochkarätig besetzt. In Suburbia von Ted Alspach (Lookout) haben sie nun die Möglichkeit, den Granden der deutschen Bauindustrie in nur ein bis zwei Stunden zu zeigen, wo der Hammer hängt. Dabei geben wir uns allerdings nicht mit der Konstruktion einzelner Gebäude zufrieden. Wir stampfen vielmehr gleich eine ganze Vorortsiedlung aus dem Boden. Komplett mit Bahnhof, Philharmonie und Flughafen.


Einfamilienhaus in ruhiger Lage...
Ziel des Unterfangens ist es dabei nicht, Baumängel und fehlende Finanzierung möglichst lange geheim zu halten. Vielmehr versuchen wir tatsächlich, einen möglichst attraktiven und wohnbaren Vorort zu kreieren, auf dass sich bis Spielende mehr Bewohner für unser idyllisches Fleckchen Erde entscheiden als für die der Mitspieler. Dass dabei die Finanzplanung stets im Blick zu halten ist dürfte nicht überraschen. So ergänzen wir also unsere wachsende Siedlung Runde für Runde um ein Gebäude (in Form eines sechseckigen Plättchens). Ob das gewünschte Plättchen unserem finanziellen Budget entspricht hängt dabei sowohl von den festen Kosten des Gebäudes, wie auch dessen Position in der Auslage ab. So können auch auf den ersten Blick unattraktive Plättchen spannend werden wenn der Preis sinkt. Begehrte Gebäude sind dagegen häufig zuerst unerschwinglich.


...nur 5 Gehminuten zum Regionalflughafen                                                                                Dabei sollte allerdings nicht nur der Preis über die Wahl des neuen Plättchens bestimmen. Vielmehr sind jedem Gebäude besondere Eigenschaften zugeordnet. Neben Wohngebäuden und öffentlichen Gebäuden, die in erster Linie neue Bewohner anlocken, stehen auch Gewerbe und Industrie zur Verfügung. Hiermit lässt sich wunderbar Geld verdienen welches dann in neue, bessere Gebäude investiert werden kann. Auf diese Weise wächst unsere Stadt stetig, während die Interaktion zwischen den Gebäuden zunehmend komplexer wird. Bei Suburbia steht nämlich nicht jedes Gebäude für sich alleine. Vielmehr interagieren fast alle Gebäude mit ihren direkten Nachbarn, dem eigenen Vorort oder sogar den Vororten der Mitspieler. Da bringt etwa ein Flughafen ein ganz ordentliches Einkommen, verscheucht allerdings die Bewohner der benachbarten Wohngebiete. Auch ein Gourmetrestaurant sorgt schnell für einen prall gefüllten Staatssäckel. Dessen Einnahmen schrumpfen allerdings stetig mit jeder neu errichteten Frittenbude.


Einwohnerzahl: 5 12 32 98 112                                                                                                    Während wir zu Beginn des Spiels für eine gesunde Finanzlage sorgen (sollten), ruht der Fokus im späteren Spielverlauf zunehmend auf dem Anlocken möglichst vieler Bewohner. Denn nicht der reichste Spieler gewinnt, sondern derjenige der zum Spielende die größte Bevölkerungszahl vorweisen kann. Dazu bauen wir Parks, Sportstadien und Kinos. Da ein überfülltes Wohngebiet allerdings auf die dort Ansässigen eher abschreckend wirkt, reduziert sich das Einwohnerwachstum automatisch. In Regelmäßigen Abständen sind dafür auf der Einwohnerzählleiste Markierungen untergebracht, die das Wachstum beim Überschreiten reduzieren. Die ständig kürzer werdende Frequenz dieser Markierungen sorgt dafür, dass kein Spieler einsam an der Spitze davonzieht. Gleichzeitig wird so auch das Einkommen stetig reduziert, eine sorgsame Haushaltsplanung ist essentiell.


Geldnot als Siegpunktelieferant                                                 Am Ende gewinnt, wer die meisten Bewohner in sein Stadtviertel locken konnte. Damit das Ergebnis allerdings nicht schon zur Spielmitte hin feststeht, gibt es neben dem Einwohnerwachstum auch noch offene und geheime Ziele, die das Ergebnis am Ende noch einmal ordentlich durcheinanderwirbeln können. So bekommt etwa derjenige zusätzliche Bewohner, der das niedrigste Bevölkerungswachstum, das wenigste Geld oder den größten See vorweisen kann. Das verfolgen der eigenen, geheimen Ziele, sowie das Erraten der Ziele meiner Mitspieler trägt dabei nicht unwesentlich zum Spielspaß bei.
Ein Fazit
Öffnet man erstmals die Spieleschachtel erschlägt einen Suburbia schnell mit einer Materialfülle, die Ihresgleichen sucht. Mehrere (kombinierbare) Spielbretter, Pappmünzen und eine Fülle von Gebäudeplättchen wissen den Vielspieler durchaus zu begeistern. Die grundlegenden Spielprinzipien sind dann allerdings schnell verstanden und in die Tat umgesetzt. Jede Runde ein Gebäude bauen und die Auswirkungen berechnen. Und ich sage an dieser Stelle ganz bewusst "berechnen". Denn hier findet sich der am häufigsten gehörte Kritikpunkt des Spiels: "umfangreiche Kalkulationen nach jedem Zug"... "man fühlt sich als müsste man einen defekten PC ersetzen"... "ständig werden einzelne Interaktionen übersehen"... so und so ähnlich klingen dabei zumeist die Kritiken. Auch wenn ich dies durchaus nachvollziehen kann, bin ich hier gänzlich anderer Meinung. Für mich ist gerade diese Interaktion das spannende Element des Spiels. Stets muss ich genau überlegen wo ich den neuen Flughafen platziere oder ob das neue Schnellrestaurant meinem Mitspieler mehr Schaden würde als mir die alternativ zu kaufende Grundschule hilft. Ich muss meine Einkommens- und Personalentwicklung im Blick behalten und genau abwägen, ab welchem Punkt ein Wechsel der Prioritäten lohnt oder nötig ist. All das ist definitiv nichts für Gelegenheitsspieler. Auch wer Suburbia als Pausenfüller oder Spiel für Zwischendurch erwirbt wird nur in seltenen Fällen glücklich werden. Wer allerdings ein Spiel sucht, das eine Fülle von Möglichkeiten bietet und bereit ist, auch etwas Zeit und Konzentration in ein Spiel zu investieren, der sollte Suburbia auf jeden Fall im Auge behalten.

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