Venedig, die Stadt der Verliebten
Man stelle sich vor: Ein blondgelockter Jüngling steht entspannt auf einem Balkon in Venedig und lässt seinen Blick über die sonnendurchfluteten Häuserschluchten schweifen. Verträumt streift sein Blick den Balkon des gegenüber liegenden Anwesens und erspäht ein gar wunderschönes Wesen. Volle, rot Lippen, blaue Augen und kastanienbraunes Haar. Verspielt wirft sie dem Jüngling einen verschämten Blick zu, die Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln. Für unseren Jüngling gibt es nun kein Halten mehr. Noch auf dem Weg nach Unten richtet er sich die blonden Locken und streicht seine samtenen Roben glatt. In Gedanken an das kommende stürmt er durch die Tür, keine 30 Meter trennen ihn von seiner Angebeteten. Doch Ach und Weh, sein Blick fällt auf die Kanäle, die sein Domizil von dem ihren trennen. Und wie schon so oft zuvor wird ihm klar, dass die Erbauer Venedigs hier etwas Wesentliches vergessen haben: Keine einzige Brücke überspannt die Kanäle. Auch von den Gondelfahrern, für die Venedig in späteren Zeiten Berühmt sein würde, ist keine Spur zu sehen. Welch ein Glück für den Jüngling dass Stefan Feld einige illustre Baumeister engagiert hat, um diesen Missstand zu beheben.
In Rialto (Pegasus) konkurrieren 2-5 Spieler um die Vorherrschaft in
den einzelnen Stadtteilen Venedigs. Dazu setzen sie zu Rundenbeginn ausgewählte
Karten ein um Gefolgsmänner zu platzieren, Brücken zu bauen und Gondeln oder Bauwerke
zu erwerben.
Canal Grande
Zu Beginn jeder der insgesamt 6 Runden wählt jeder Spieler einen Stapel
aus 6 offenen Karten verschiedenster Zusammenstellung. Diese Karten (sowie
weitere gezogene oder mittels Gebäuden generierte) verwenden wir in der
folgenden Aktionrunde, welche sich in 6 Phasen unterteilt die wir nacheinander
durchspielen. Dazu legt ein Spieler nach dem Anderen die zur aktuellen Phase
passende Kartenart aus. War jeder Spieler an der Reihe werden die Karten
ausgeführt, wobei es Boni für den zu ergattern gibt, der die meisten davon
eingesetzt hat. Die Phasen ermöglichen dabei unter Anderem den Bau von Brücken
und Gondeln und bestimmen damit am Spielende die Punktwerte der 6 verschiedenen
Stadtteile. Das Platzieren eigener
Vertreter in den Stadteilen wiederrum ist nötig, um die entsprechenden Punkte
am Spielende auch zu erhalten. Mehrheiten in den einzelnen Gebieten garantieren
dabei eine maximale Ausbeute. Weitere Aktionskarten betreffen den Bau von
Gebäuden und den Erwerb von Geld, welche man zur Verwendung der Gebäude
benötigt. Ebenjene Bauwerke liefern, neben Siegpunkten, vielfältige
Sonderfähigkeiten die in den einzelnen Aktionsphasen zum Tragen kommen. So
ermöglicht ein Gebäude etwa die Verwendung einzelner Karten als Joker oder das
ziehen zusätzlicher Karten zu Rundenbeginn. Nach dem Ende der sechsten Runde
wurde jeder Stadtteil einmal ausgeführt mit Gefolgsleuten besetzt und mittels
Brücken und Gondeln mit den Nachbarvierteln verbunden. Endet das Spiel gibt es sowohl
Punkte für die Anwesenheit in einzelnen Gebieten, sowie den Besitz von Gold und
Gebäuden.
Canal Orfano
Stefan Feld schafft es mit Rialto erneut, bekannte Mechanismen auf eine
neue und kreative Art zu vermischen. Gegenüber den früheren Spiele, etwa Die
Burgen von Burgund und Bora Bora, ist Rialto allerdings deutlich in der
familienfreundlicheren Ecke angesiedelt. Schon
die Spielzeit von maximal 60 Minuten (die durchaus realistisch ist)
deutet darauf hin. Auch der Spielverlauf selbst ist bei weitem nicht so streng
und planbar. Die wichtigste Entscheidung trifft man bereits zu Beginn der Runde
mit der Wahl des Kartenstapels. Aber auch in den einzelnen Phasen muss man
stets überlegen wie man seine Gefolgsleute platziert, welche Gebäude man
erwirbt oder wo man die Brücke baut. Im Vergleich zu den früheren Werken von
Stefan Feld sind die Entscheidungen dabei aber überschaubar. Trotzdem spielt
sich Rialto keineswegs banal, der eingeschlagene Weg hat durchaus einen
deutlichen Einfluss auf den Spielverlauf. Aufgrund der kurzen Phasen bleibt
dabei der Leerlauf angenehm kurz, längere Wartezeiten sind die Ausnahme.
Aber auch Kritikpunkte bleiben leider nicht aus. Neben einem grafischen
Fauxpas, der das Zählen auf der Siegpunkteleiste merklich erschwert, stört mich
besonders das Spiel zu Zweit. Hier hat man die Wahl zwischen dem regulären
Spiel, wo des Öfteren Phasen ohne gespielte Karte enden, und der Verwendung
eines virtuellen Spielers. Beides Möglichkeiten mit denen ich mich nicht so
recht anfreunden kann. Eigentlich überraschend, sollte das Spiel bei diesem
Thema doch eigentlich perfekt sein für eine Partie unter Verliebten.
Trotzdem, Rialto ist ein weiteres durchaus beachtenswertes Spiel in der
langen Reihe der Feld’schen Werke. Im
Vergleich bevorzuge ich allerdings auch
weiterhin Die Burgen von Burgund oder Bora Bora, nicht zuletzt aufgrund deren umfangreicherer
strategischer Möglichkeiten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen