Freitag, 22. Juli 2016

Agent Undercover



Eigentlich halte ich mich ja für jemanden, der im Bereich der Brettspiele halbwegs gut informiert ist. Und dennoch passiert es mir immer mal wieder, dass ich einzelne Spiele (warum auch immer) schlicht übersehe. Welch Glück also, dass es die Jury zum Spiel des Jahres gibt um mich auf derlei Missstände hinzuweisen. Im vergangenen Jahr traf dies mit Broom Service (HIER) sogar einen Titel, der später Kennerspiel des Jahres werden sollte. Diesmal habe ich immerhin „nur“ ein Spiel der Empfehlungsliste übersehen. Doch auch Agent Undercover (Alexander Ushan / Piatnik) hat es keinesfalls verdient, ignoriert zu werden.

Dabei bedient sich Agent Undercover einem eigentlich recht einfachen und bekannten Spielprinzip. Eine geheime Rollenzuteilung, diskutierende und ratende Mitspieler und am Ende allgemeine Verwirrung. 


Agenten mit Orientierungsschwierigkeiten
Die Startbedingungen sind einfach. Insgesamt 25 verschiedene Orte sind in der Box von Agent Undercover enthalten, allesamt sortiert in formschönen Plastiktüten. Eine dieser Tüten wird zu Beginn geheim gezogen und jedem Spieler eine entsprechende Karte daraus zugeteilt. Neben dem Ort können wir der Karte auch unsere genaue Rolle entnehmen. So können wir Kassierer in der Bank sein, Ober auf einem Kreuzfahrtschiff oder Kunde eines Wellness-Tempels. Durchaus interessante Informationen also, die uns hier zukommen. Zumindest den meisten von uns. Denn ein zufälliger Spieler bekommt eine Agentenkarte zugewiesen, die keinerlei Informationen bietet. Unser Doppel-0 Agent weiß leider noch nicht einmal wo genau er sich befindet, was durchaus mit Problemen behaftet ist.

Ausschlussprinzip
Während das Unwissen des Agenten in der richtigen Situation kaum ins Gewicht fallen dürfte, besteht seine Aufgabe aber nun aber leider darin, seinen Aufenthaltsort zu bestimmen. Und das Ganze, ohne seine Identität zu verraten. Dazu stellen sich die Spieler abwechseln Fragen, die sich mehr oder weniger deutlich auf den Ort beziehen. Mehr oder weniger, da ich einerseits mit meiner Frage herausfinden will wer der Agent ist, andererseits aber Selbigem den Ort nicht verraten will. Auf diese Art und Weiße fliegen die Fragen im besten Fall über mehrere Minuten hin und her, bis entweder der Agent versucht den Ort zu lösen oder die Mitspieler eine Anschuldigung vorbingen. Auch wenn die Zeit abläuft, kommt es zur Abstimmung.

 
Knifflige Fragen, nichtssagende Antworten
Der Kniff in Agent Undercover ist also das Stellen geschickter Fragen. Die Aussage „Wäschst du deine Hände regelmäßig“ passt etwa gut zum Krankenhaus, der Werkstatt und einigen Orten mehr. „Hast du das Auto repariert“, dürfte dagegen etwas auffällig sein. Auch die Antworten wollen wohl überlegt sein. Auf obige Frage nach dem Waschen der Hände „Das ist bei uns Pflicht“ zu antworten, dürfte ein klarer Hinweis auf das Krankenhaus sein. Damit können mich meine Mitspieler zwar als Agent weitestgehend ausschließen, andererseits biete ich dem Agenten selbst sehr nützliche Hinweise. Ein simples „Ja“ hilft dagegen keiner der Seiten, macht mich aber als Agent verdächtig. Und genau diese Zwickmühle macht den Reiz des Spiels aus.

Fazit
Nach obiger Beschreibung dürfte schon klar sein, dass Agent Undercover kein Spiel für Jedermann ist. Ein gewisses Maß an Kommunikationsfreude sollten die Spieler auf jeden Fall mitbringen um Spaß an einer Partie haben zu können. Obendrein sollte auch die Spielerzahl passen. Denn anders als auf der Packung angegeben, empfinde ich das Spiel keinesfalls als sinnvoll spielbar ab 3 Spielern. Also am besten mindestens 5 kommunikative Spieler, die obendrein bereit sind, sich das Spiel zu erarbeiten. Denn am meisten Spaß macht Agent Undercover, wenn man mit den möglichen Standorten und deren Rollen (die man anfangs auch weglassen kann) vertraut ist. Verdammt viele „am besten“, „mindestens“ oder „sollte“ also, für ein dann doch recht simples Spiel.

Bleibt eigentlich nur die Frage, ob die Suche nach der passenden Gruppe lohnt. Und das tut sie, ja. Denn Agent Undercover bietet eine sehr gelungene Mischung aus Bluff, Deduktion und Kommunikation, dabei reichlich Abwechslung mit überraschend wenig Regeln und Material. Die Karten sind obendrein sehr reizvoll gestaltet und sorgen gerade in den ersten Partien für Schmunzler. Die vergleichsweise kurze Spielzeit für eine Runde ist stets prall gefüllt, Leerlauf kommt hier keiner auf. Und auch bei einer einzelnen Partie bleibt es selten, eine Revanche ist praktisch vorprogrammiert.

Aufgrund der genannt Probleme eine passende Gruppe zu finden, bleibt Agent Undercover zwar etwas hinter aktuellen Vorzeigespielen (wie Codenames HIER) zurück. Kommunikative Gruppen sollten aber auf jeden Fall einen Blick auf das Spiel werfen, es lohnt sich.


 http://spielfreude.blogspot.de/p/vorschau-spiel-2016.html

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