Montag, 6. Juni 2016

Odyssey: Zorn des Poseidon



Das Leo Colovini in den vergangenen Jahren ein recht agiler Spiele-Erfinder war, das dürfte einigen von euch bereits aufgefallen sein. Wohl weniger bekannt ist dagegen, dass der Italiener scheinbar auch eine enorme Vorliebe fürs Reisen hat. So führen viele seiner Spiele nicht nur an fremde Orte, sondern thematisieren gleich den Weg dorthin. Zuletzt musste sich etwa ein langhaariger Löwe mühsam an seinen Weg zum Friseur erinnern, wie ihr HIER nachlesen könnt. Und jetzt befasst sich der Autor sogar mit der Mutter aller Irrfahrten selbst.

Denn in Odyssey: Zorn des Poseidon (Heidelberger Spieleverlag) spürt ihr die Wirren und die Verunsicherung eines der größten Helden der Antike an der eigenen Haut. Oder schlüpft direkt in die Rolle das allmächtigen Gottes der Meere.


Die Reise beginnt
Zu Beginn einer Partie Odyssey kann von einer Irrfahrt eigentlich noch keine Rede sein. Sowohl vor den Seefahrern als auch vor dem Spieler, der in die Rolle des Meeresgottes schlüpft, befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch identische Seekarten, die allerdings durch einen Sichtschutz getrennt sind. Die Pläne unterteilen sich in haufenweise kleine Quadrate und beinhalten einige Inseln, insgesamt vier verschiedenfarbige Schiffe und sehr viel Wasser. Die Schiffe haben dabei fest vorgegebene Startpunkte und (im Basisspiel) genau elf Runden Zeit die Zielinsel in der Mitte des Plans zu erreichen.



Poseidon wütet
Vor die glückliche Heimkehr hat der Gott des Meeres allerdings den Sturm gesetzt. Und so spielt der Poseidon-Spieler zu Beginn eines Zuges ein Sturmplättchen aus. Damit bewegt er entweder ein bestimmtes oder alle Schiffe genau ein Feld in beliebige Richtung. Während die entsprechende Bewegung auf Poseidons Seekarte korrekt durchgeführt wird, können die übrigen Spieler an dieser Stelle nur spekulieren.

 
Inseln in der Ferne
Sobald Poseidons Wut etwas abgeklungen ist, dürfen die seefahrenden Spieler agieren. Dazu bewegen sie nacheinander jedes Schiff genau ein Feld weit, üblicherweise (hoffentlich) in Richtung Zielinsel. Im Anschluss gibt Poseidon Auskunft darüber, was die Spieler sehen. Allerdings sind diese Informationen sehr verschwommen. So erkennen wir zwar, das in der Nachbarschaft Inseln sind, aber nicht wo genau und auch nicht welcher Art. Diese Informationen gibt es nur, wenn wir direkt auf dem Inselfeld sind. Aussagen wie „Du siehst 2 Inseln und ein fremdes Schiff“ sind also die Regel. Doch selbst mit solch spärlichen Informationen lässt sich die eigene Position eingrenzen und mit diesem Wissen der Weg zum Ziel effektiver gestalten.

Varianten
Jetzt wissen wir ja alle, dass die Meere nicht nur aus Wasser und Inseln bestehen. Entsprechend sind auch in Odyssey weitere Plättchen und damit Varianten enthalten, die nach und nach ins Spiel integriert werden können. So sorgen Leuchttürme etwa für weitere Informationen, Nebel bewirkt das genaue Gegenteil. Ein Strudel wirbelt das Schiff umher und Seeungeheuer verhindern die Bewegung, verschaffen aber einen extra Zug. Auch wenn dadurch für deutlich mehr Leben auf dem Plan gesorgt wird, bleibt das Ziel doch immer gleich. Ithaka zu erreichen und Poseidon ein Schnippchen schlagen.


Fazit
Odyssey gehört sicherlich nicht zu den Spielen, die mit einer schönen Verpackung und beeindruckendem Material punkten. Nicht nur die Box, auch der Inhalt sind wenig einladend. Dennoch klang die Spielidee reizvoll, weshalb ich unbedingt einen Blick riskieren wollte. Und theoretisch klingt das Alles auch wirklich unterhaltsam. Die Spieler knobeln und kombinieren, sprechen sich ab, sammeln Informationen und segeln schlussendlich gerade noch so in der Zeit (oder auch nicht) in den Zielhafen.

Und auch praktisch kam es bei mir durchaus zu solch spannenden und unterhaltsamen Partien. Allerdings waren diese leider eher die Ausnahme. Denn Odyssey hat ein grundlegendes Problem. Fast alle Partien waren bei mir (für die Seefahrer) entweder viel zu leicht oder fast nicht zu schaffen. Das sollte ich vielleicht etwas genauer erklären:

Auf allen verfügbaren Spielplänen sind die Schiffe anfangs genau sechs Felder vom Ziel entfernt, für den Weg haben sie elf Runden Zeit. Als Poseideon kann ich jeden Spieler genau fünfmal mittels Sturm verschieben. Die Zeit für den Seefahrer ist als genaugenommen sehr knapp. Davon ausgehend, dass Poseiden das Schiff stets zurückbewegt, muss ich als Seefahrer in den ersten Zügen strikt auf die Insel zuhalten. Ein Fehler und das Spiel kann für mich vorbei sein. Theoretisch kann mich Poseiden zwar auch nach Vorne bewegen, was durchaus verwirrend ist, praktisch sollte ich darauf aber nicht hoffen. Entsprechend ist meine Richtung eigentlich vorgegeben, erst gegen Ende (hoffentlich nahe der Insel) wird es etwas spannender. Da ich obendrein zumeist zumindest einen groben Plan meines Standortes habe, ist das Spiel in dieser Basisversion schlicht langweilig.

Bleibt das Spiel mit den Modulen. Und Strudel sowie Nebel bringen tatsächlich deutlich mehr Würze ins Spiel. Zumindest für den Poseidonspieler. Als Beispiel sei hier der Wirbel erwähnt, der ein Schiff um ein Feld bewegt. Ausgehend von der Rechnung oben, darf sich der Spieler keinen Fehler erlauben, oder die Zeit bis zum Ziel reicht nicht aus. Allerdings ist es hier schon ein Fehler, in einen Wirbel zu fahren, von dem man anfänglich gar nicht wissen kann. Ein Feld zurückgeschoben und das war es. Obwohl auch mit etwas mehr Zeit gespielt werden kann, ist Frust hier trotzdem nicht auszuschließen. Und wenn dann noch Nebel und damit das Fehlen jedweder Informationen dazu kommen, dann ist der Spaß bei den Spielern ganz schnell Geschichte.

Odyssey kann eigentlich fast nur dann wirklich unterhalten, wenn Poseidon mehr die Rolle eines Moderators übernimmt und nicht versucht, das Spiel zu gewinnen. In allen anderen Fällen waren die Seefahrer aber wenig angetan. 


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